Seit 1967 gibt es dieses Stadtteilprojekt. Anfänglich allerdings “nur“ als “Student hilft Rocker e.V.“. Daraufhin schlossen sich einige Eltern des Bezirks Sonnenland zusammen und meinten, dass doch auch etwas für Kinder aus der Gegend getan werden müsste. Kurzer Hand wurde der „Rocker“-Verein in “Verein Studentische Jugendhilfe“ umbenannt, später in “Verein Soziale Jugendhilfe“, kurz VSJ, und wurde damit ein Projekt für das Gemeinwesen. Einige Studenten schnappten sich damals einfach die Jugendlichen aus dem Gebiet Sonnenland, unter auch anderem Anatol Herold und haben kurzer Hand auch mal das KZ-Neuengamme besucht. So etwas nannte man “Abenteuerpädagogik“.
Zu der Zeit stieß auch Jürgen Wolff als Jugendlicher dazu, der sich, genau so
wie Anatol Herold, später für das VSJ, das Anfang des neuen Jahrtausends in
“Stadtteilprojekt Sonnenland e.V“ umbenannt wurde, engagierte und als
ehrenamtlicher Koordinator fungierte. Im Zusammenhang des KZ-Besuchs haben
damals alle Beteiligten mitbekommen, vor allem aber die Jugendlichen, dass in
ihrem Gebiet hauptsächlich Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. „Auf einmal sahen
wir unseren Bezirk mit ganz anderen Augen,“ so Anatol Herold, „und haben uns
dann immer mehr mit dieser Gegend identifiziert.“
Man kann heute behaupten,
dass die Geschichte in Form des KZ-Neuengammes sie gelehrt hat, dass
Nationalsozialismus auf keinen Fall eine Renaissance erfahren darf. Und sie
haben durch die Arbeit der Studenten erfahren, dass es sinnlos ist, die Hände
in den Taschen zu vergraben und immer nur andere machen zu lassen. „Das hätte
mich irgendwann gekillt,“ so Anatol Herold weiter. „Aber Schularbeiten und
Ausbildung waren für mich die Hölle. Ich wollte immer nur raus, mit Freunden
zusammen sein. Später, nach meiner Berufsausbildung, hatte ich es begriffen.
So konnte es nicht weitergehen kann. Ich sah das Engagement der Studenten und
wollte auf einmal zu ihnen gehören. Holte meine Mittlere Reife nach und
studierte Sozialökonomie.“
Seit
1970 zahlte die Stadt die ersten Zuwendungen, die sich bis 2007 peau á peau auf
360.000 Euro erhöhten. Von heute auf morgen allerdings strich das Bezirksamt
Mitte alle Mittel. Der Verein stand kurz vor der Pleite. Viele, „zum Teil
höchst unangenehme Gespräche“, so Herold, der mittlerweile zum Vereinsvorstand
aufgestiegen war, mussten mit dem damaligen Leiter des Bezirkamtes und weiteren
Politikern der SPD, geführt werden. Die Gründe wurden nie genannt. „Es hieß von
Leuten,“ so Anatol Herold, „dass wir keine adäquate Jugendarbeit leisten
könnten.“
Claudia
Deppermann, die sich sehr für Billstedt engagiert, recherchierte in den Behörden
und bekam viele verschiedene Aussagen von Mitarbeitern zu hören, die aber nicht
genannt werden wollten. „Wir aber wollen nicht zurück-, sondern,“ so Jürgen
Wolff, „nach vorn schauen.“
Der
Retterrat, bestehend aus Anatol Herold, ihm und vielen anderen Bürgern
Sonnenlands, hatten erst einmal die Arbeit der nun nicht mehr bezahlbaren und
damit gekündigten Sozialpädagogen übernommen. Förderer wurden gesucht und
gefunden. Mittlerweile gibt es auch wieder Geld vom Bezirk. 40.000 Euro im
Jahr. Eine lächerliche Summe, die fast allein schon für die Miete aufgebracht
werden muss. Schreiber und Gefolgsleute gestanden damit ein, dass im “Stadtteilprojekt Sonnenland e.V.“ doch
gute Arbeit geleistet wurde und immer wird. Sogar Preise wurden gewonnen, wie
zum Beispiel 2008 der zweite Platz der Bürgerstiftung für „Jugend engagiert
sich“, 2009 der zweite Platz des Stadtteilpreises der Mopo/PSD-Bank und 2010
dann der erste Preis der Bürgerstiftung Hamburg, für die kreativste
Nachbarschaftshilfe mit dem Untertitel: Wir mischen uns ein.
Dann
zählt Jürgen Wolff weitere Aktivitäten auf: „Im Sommer veranstalten wir auch
Kanufahrten, oder treiben einmal die Woche Sport, meistens mit Bällen. Wir
führen aber auch Gewaltprävension durch, bieten Sozialberatung und
Schuldenregulierung für Erwachsen an. Zudem umfangreiche Ferienprogramme
verbunden mit Reisen, sofern Geld vorhanden ist und nicht zu vergessen unsere
Sonnenland-Tafel, die wir zweimal die Woche für 60 bis 70 Personen
veranstalten.“
„Die
finanziellen Zuwendungen des Bezirks bekommen wir aber nur für die
Jugendarbeit,“ so Anatol Herold, nachdem er wieder zu Luft gekommen war. Aber
Mitte des Jahres sollen die Fördermittel aufgestockt werden. Warten wir es ab.
Auf alle Fälle ist dieses Projekt höchst Zuwendungswürdig. Da kann man nur
hoffen, dass sich auch noch weitere Förderer für diesen Verein finden werden.
Verdient haben sie es allemal.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen