Mittwoch, 19. Dezember 2012

Experten: Armut ist politisch gewollt


Es sind die Gesetze, die arm machen - zu diesem Schluss kommt die Nationale Armutskonferenz. Und: Wer arm ist, bekomme in Deutschland immer weniger Chancen, der Armut zu entfliehen, heißt es in einem Bericht der Experten.

"Armut ist politisch gewollt" - es seien die Gesetze, die Niedriglöhne ermöglichten und die einen Hartz-IV-Regelsatz von derzeit 374 Euro festlegten, "der arm macht und nicht aus der Armut heraushilft", sagte Michaela Hofmann von der Nationalen Armutskonferenz bei der Präsentation des Berichts. Die NAK ist ein Zusammenschluss von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Gewerkschaften und Betroffeneneinrichtungen.

Wer arm ist, bekomme in Deutschland zudem immer weniger Chancen, der Armut zu entfliehen, so Hofmann weiter. Die Zahl der von relativer Armut Betroffenen habe sich in den vergangenen Jahren zwar nicht mehr erhöht, sondern sei konstant bei 14 bis 16 Prozent der Bevölkerung geblieben. Das sind zwischen 11,5 und 13 Millionen Menschen. Dies sei aber kein Erfolg, "sondern ein Skandal, dass sich die Armutszahl auf einem so hohen Niveau eingependelt" habe. Als arm gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt.

NAK: Regierungsbericht verschleiert
Die NAK ging vor die Presse, weil die Bundesregierung ursprünglich am Mittwoch im Kabinett ihren umstrittenen 4. Armuts- und Reichtumsbericht verabschieden wollte. Dies wurde aber auf Anfang 2013 verschoben. Der Regierungsbericht hatte Schlagzeilen gemacht, weil in der Ressortabstimmung auf Betreiben des Wirtschaftsministeriums kritische Passagen zum Auseinanderdriften von Arm und Reich gestrichen wurden.

Die Armutskonferenz warf der Regierung vor, der Bericht trage noch mehr als in der ersten Fassung zur Verschleierung der sozialen Situation bei. So seien etwa kritische Einschätzungen zur Situation von Alleinstehenden gestrichen worden, sagte NAK-Geschäftsführerin Carola Schmidt. Auch sie betonte: "Armut ist in Deutschland eine politische Entscheidung."

Armut trotz Erwerbstätigkeit
Völlig unerwähnt bleibe in dem Bericht, dass sich die Armut verfestigt habe, sagte der Armutsforscher Walter Hanesch von der Hochschule Darmstadt: "Die Chancen haben sich entscheidend verschlechtert, aus der Armut wieder entkommen zu können." Auch auf die Situation der prekär Beschäftigten und der Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich werde nicht eingegangen.

"Ebenso bleibt ausgeblendet, dass das Risiko der Armut durch Arbeitslosigkeit zunehmend ersetzt wird durch Armut trotz Erwerbstätigkeit", kritisierte Hanesch. Die Regierung gehe auch mit keinem Wort darauf ein, dass in den kommenden Jahren "eine dramatische Zunahme der Einkommensarmut im Alter absehbar" sei.

Quelle: reuters, dpa 

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