Von Schleppern in einem LKW wurden er aus seiner Heimat gelotst. Über den Iran und der Türkei ins gelobte Deutschland. Aus vielerlei Gründen. Perspektivlosigkeit, Blutrache und Verfolgung wegen eines anderen Glaubens.
Mit dem Tot ist er aufgewachsen. Hat Freunde und Verwandte
im Kugelhagel krepieren sehen. Auch seine Eltern sind verstorben, der jüngste
Bruder ist auf der Flucht verloren gegangen. Ob er noch lebt, weiß man nicht.
Die fünf Schwestern sind tot. Die letzte hatte, zusammen mit der Mutter, die
Geburt nicht überlebt.
Irgendwann stand er am Hauptbahnhof, da, wo die Schlepper
ihn absetzten. Ohne Geld und ohne Deutschkenntnisse. Wurde von der Polizei
aufgegriffen, schlief in einer Turnhalle bevor er später im Asylantenheim
untergebracht wurden. Mit Obdachlosen unter einer Decke, in einem Zimmer,
manchmal mit drei weiteren Personen, in einem für ihn fremden Land. Von knapp
200 Euro im Monat, dass der Staat ihm zur Verfügung stellte. Etwas
hinzuverdienen durfte er nicht. Seinen Pass hatte er auch nicht und zurück in
die Heimat konnte und wollte er auch nicht mehr. Warum auch? In ein Land, das
seine Töchter bewusst analphabetisch lässt, deren Eltern im schlimmsten Fall
getötet werden, wenn sie die Töchter lernen lassen, die nichts selbst bestimmen
dürfen, fremd verheiratet werden. In dem es verboten ist, Musik zu hören und
Handys zu benutzen.
Acht Jahre ist er in Afghanistan zur Schule gegangen, doch
mit der hiesigen Hauptschule in Deutschland ist die Ausbildung nicht zu
vergleichen. „Ich durfte zwar die Schule besuchen, aber viel mehr als das
kleine Einmaleins und das Alphabet habe ich dort nicht gelernt. Dafür kann ich
den Koran sehr gut, mehr aber nicht,“ versichert er uns.
Womit das nächste Problem angesprochen ist. Der Glaube. Wer
als Moslem zum Christentum konvertiert, spielt mit seinem Leben. Das musste
Hussein am eigenen Leib erfahren. Hussein möchte nicht auf dem Foto gezeigt
werden, wie er überhaupt nicht über sich und seine Jugend sprechen möchte. Nur
noch nach vorn schauen möchte er. Und richtig gut deutsch lernen. In Wort und
Schrift. Und Rechnen. Dazu geht er jeden Tag auf die Abendschule. Büffelt
Deutsch und Mathe. Elektroschweißer hat er in seiner Heimat gelernt. In
Deutschland möchte er eines Tages Sozialpädagoge werden. Vielleicht. Eine
Wohnung hat er schon bekommen und eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre
auch. Die Ev.- Luth. Kirchengemeinde in Schiffbek und Öjendorf hat ihm dabei
geholfen. Deutsch und Mathe hat er sich privat angeeignet. Uwe Böhm und seine
Lebensgefährtin Britta Everding, beide Billstedter, haben dabei geholfen.
Ehrenamtlich. Nun muss er zeigen, was er kann. Denn jetzt kann er auch zuhause
lernen, weil er Platz und Ruhe hat. Im Asylantenheim Mattkamp hatte er beides
nicht. Doch das Amt sagt, er soll arbeiten. Nur kann er dann nicht mehr zur
Schule gehen, um etwas Anständiges zu lernen. Damit er später das Geld vom
Staat nicht mehr braucht.
Seine Vita ist kein Einzelfall, zeigt aber, dass es
funktionieren kann. Wer sich integriert, sich nichts zu schulden kommen lässt,
wer tatsächlich lernt, vor allem die deutsche Sprache, und nicht nur davon
spricht, wie schlecht es ihm ergangen ist, hat auch als Asylant hier in
Deutschland durchaus eine Chance. Mike Neschki
Ohne Hilfe ist es schwer
Sie sind bekannt, jedenfalls in Billstedt. Uwe Böhm und
Britta Everding. Sowohl für ihr politisches als auch für ihr soziales
Engagement. Wer ein Wohnungsproblem hat, kann sich bei ihnen melden. Ein Zimmer
ist immer mal frei. Auch bei behördlichen Angelegenheiten wird geholfen, sofern
es möglich ist. Nicht immer, aber immer mal wieder. Und das alle ehrenamtlich.
Und wer der deutschen Sprache nicht mächtig ist, zum Beispiel Menschen mit
Migrationshintergrund, ist bei ihnen auch an der richtigen Adresse. So wie der
Protagonist unserer Geschichte, der bei den beiden Deutsch gelernt und somit
eine Voraussetzung für seine Aufenthaltsgenehmigung geschaffen hat.
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