Mittwoch, 5. Dezember 2012

Wie Integration funktionieren kann


Jung ist er noch. Gerade mal 20 Jahre hat er auf seinem breiten Rücken, aber schon alles verloren was ihm lieb war. Die Familie, die Liebe der Eltern und Geschwistern und die daraus resultierende Wärme. Seine Heimat ist Afghanistan. Er kam 2010, hat sich integriert und es fast geschafft.




Von Schleppern in einem LKW wurden er aus seiner Heimat gelotst. Über den Iran und der Türkei ins gelobte Deutschland. Aus vielerlei Gründen. Perspektivlosigkeit, Blutrache und Verfolgung wegen eines anderen Glaubens.

Mit dem Tot ist er aufgewachsen. Hat Freunde und Verwandte im Kugelhagel krepieren sehen. Auch seine Eltern sind verstorben, der jüngste Bruder ist auf der Flucht verloren gegangen. Ob er noch lebt, weiß man nicht. Die fünf Schwestern sind tot. Die letzte hatte, zusammen mit der Mutter, die Geburt nicht überlebt.

Irgendwann stand er am Hauptbahnhof, da, wo die Schlepper ihn absetzten. Ohne Geld und ohne Deutschkenntnisse. Wurde von der Polizei aufgegriffen, schlief in einer Turnhalle bevor er später im Asylantenheim untergebracht wurden. Mit Obdachlosen unter einer Decke, in einem Zimmer, manchmal mit drei weiteren Personen, in einem für ihn fremden Land. Von knapp 200 Euro im Monat, dass der Staat ihm zur Verfügung stellte. Etwas hinzuverdienen durfte er nicht. Seinen Pass hatte er auch nicht und zurück in die Heimat konnte und wollte er auch nicht mehr. Warum auch? In ein Land, das seine Töchter bewusst analphabetisch lässt, deren Eltern im schlimmsten Fall getötet werden, wenn sie die Töchter lernen lassen, die nichts selbst bestimmen dürfen, fremd verheiratet werden. In dem es verboten ist, Musik zu hören und Handys zu benutzen.

Acht Jahre ist er in Afghanistan zur Schule gegangen, doch mit der hiesigen Hauptschule in Deutschland ist die Ausbildung nicht zu vergleichen. „Ich durfte zwar die Schule besuchen, aber viel mehr als das kleine Einmaleins und das Alphabet habe ich dort nicht gelernt. Dafür kann ich den Koran sehr gut, mehr aber nicht,“ versichert er uns.

Womit das nächste Problem angesprochen ist. Der Glaube. Wer als Moslem zum Christentum konvertiert, spielt mit seinem Leben. Das musste Hussein am eigenen Leib erfahren. Hussein möchte nicht auf dem Foto gezeigt werden, wie er überhaupt nicht über sich und seine Jugend sprechen möchte. Nur noch nach vorn schauen möchte er. Und richtig gut deutsch lernen. In Wort und Schrift. Und Rechnen. Dazu geht er jeden Tag auf die Abendschule. Büffelt Deutsch und Mathe. Elektroschweißer hat er in seiner Heimat gelernt. In Deutschland möchte er eines Tages Sozialpädagoge werden. Vielleicht. Eine Wohnung hat er schon bekommen und eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre auch. Die Ev.- Luth. Kirchengemeinde in Schiffbek und Öjendorf hat ihm dabei geholfen. Deutsch und Mathe hat er sich privat angeeignet. Uwe Böhm und seine Lebensgefährtin Britta Everding, beide Billstedter, haben dabei geholfen. Ehrenamtlich. Nun muss er zeigen, was er kann. Denn jetzt kann er auch zuhause lernen, weil er Platz und Ruhe hat. Im Asylantenheim Mattkamp hatte er beides nicht. Doch das Amt sagt, er soll arbeiten. Nur kann er dann nicht mehr zur Schule gehen, um etwas Anständiges zu lernen. Damit er später das Geld vom Staat nicht mehr braucht.

Seine Vita ist kein Einzelfall, zeigt aber, dass es funktionieren kann. Wer sich integriert, sich nichts zu schulden kommen lässt, wer tatsächlich lernt, vor allem die deutsche Sprache, und nicht nur davon spricht, wie schlecht es ihm ergangen ist, hat auch als Asylant hier in Deutschland durchaus eine Chance. Mike Neschki

Ohne Hilfe ist es schwer

Sie sind bekannt, jedenfalls in Billstedt. Uwe Böhm und Britta Everding. Sowohl für ihr politisches als auch für ihr soziales Engagement. Wer ein Wohnungsproblem hat, kann sich bei ihnen melden. Ein Zimmer ist immer mal frei. Auch bei behördlichen Angelegenheiten wird geholfen, sofern es möglich ist. Nicht immer, aber im­mer mal wieder. Und das alle ehren­amtlich. Und wer der deut­schen Spra­che nicht mächtig ist, zum Beispiel Menschen mit Migrations­hintergrund, ist bei ihnen auch an der richtigen Adresse. So wie der Prota­gonist un­serer Geschichte, der bei den beiden Deutsch gelernt und somit eine Vor­aussetzung für seine Aufent­halts­genehmigung geschaffen hat.



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