Unter dem Vorwand „des unmittelbaren Handlungsdrucks“ hat sich der Senat über die Köpfe der Menschen hinweg gesetzt und entschieden, dass auf der Fläche der alten Schule am Oststeinbeker Weg, 69 Asylsuchende und wohnungslose Menschen untergebracht werden.
Hierzu hatte sich Bezirksamtsleiter Andy Grote schon vor der
Entscheidung wie folgt geäußert: „Ich möchte nicht für einen erfrorenen Menschen zur Verantwortung gezogen werden, nur weil wir für Asylsuchende und
Wohnungslose nicht früh genug Plätze zur Verfügung gestellt haben.“
Verständlich, allerdings stellt sich dabei die Frage nach
der Jahreszeit. Denn wenn die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen der Gebäude, wie
es heißt, zirka drei Monate dauern sollen, wäre der Winter vorbei. Dazu Andy
Grote im Gespräch mit dem Wochenblatt letzte Woche: „Das ist richtig, aber die
Unterbringung auf diesem Areal ist dafür zeitlich klar limitiert. Genau auf
diesem Grundstück werden wir in zwei Jahren anfangen zu bauen. Das
Planverfahren läuft bereits.“
Das wiederum lässt die Anrainer aufhorchen, denn ihnen ist
dieser Zeitraum nicht bekannt. „Woher hat er diese Zahl?“ fragen sie sich. Den
Anwohnern ist die Gesamtproblematik natürlich bekannt, aber solange die Lasten
der Solidarität nicht gleichmäßiger in den einzelnen Stadtteilen verteilt
werden, gibt es keine Akzeptanz für weitere Belastungen. „Wir werden uns
dagegen wehren!“ so die unmittelbar Betroffenen.
Doch kurz zur Historie: Senator Detlef Scheele (SPD) trat
Ende November vor die Presse, um anzukündigen, dass die Stadt 1500 weitere
Plätze für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen bereitstellen müsse.
Dabei warb er vorsorglich schon einmal um Solidarität der Bevölkerung. Am 19.
Dezember erneuerte er seinen Appell und warb erneut darum, dass alle an einem
Strang ziehen müssten.
Schon am 20. Dezember schreibt Staatsrat Jan Pörksen an den
Vorsitzen den der Bezirksversammlung, Dirk Sielmann. Er teilt diesem darin mit,
dass sich die Behörde für Arbeit,
Soziales, Familie und Integration, kurz BASFI, in dem Senator Detlef Scheele
die politische Verantwortung trägt, die Stellungnah me des Hauptausschusses
Hamburg-Mitte vom 6. Dezember, in der darauf hingewie sen wurde, dass die Lage
des Grundstücks aufgrund der sich dort unmittelbar anschließende Einfamilienhausbebauung keine öffentlich-rechtliche Unterbringung zu lasse, geprüft
habe. Die BASFI sieht keine Gründe, die beabsichtigte übergangs weise Nutzung
nicht voranzutreiben.
Dazu äußert sich Hildegard Jürgens, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft
und Regionalausschussvorsitzende in Billstedt: „Mit Bedauern habe ich zur
Kenntnis genommen, dass die BASFI dem Votum der Bezirksver sammlung
Hamburg-Mitte nicht gefolgt ist. Es konnten der BASFI bisher keine anderen
Standorte im Bezirk Hamburg-Mitte genannt werden.“
„Aber genau darum geht es,“ so Bernd Ohde, Fraktionsprecher
der FDP in Hamburg-Mitte. „Die Suche nach geeigneten Quartieren sollte
momentan beschränkt bleiben auf noch nicht oder noch nicht so stark belastete
Stadtteile und Quartiere. Die findet der Senat bei ein wenig Bemühen in seinem
eigenen Sozialmonitoring-Bericht! Solidarität in der Gesamtstadt ist keine
Einbahnstraße, also müssen auch wirklich alle Hamburger Bürger gemeinsam die
Lasten tragen.“
David Erkalp, CDU, äußerte sich auf das Schreiben von
Staatsrat Pörsken wie folgt: Den Billstedter Bürgern vor Ort ist nicht mehr
zuzumuten, dass weitere Plätze zur Verfügung gestellt werden. Die
Ungleichbehandlung innerhalb der einzelnen Stadtteile muss aufhören, um das
Gleichgewicht in der Stadt wieder herzustellen. In die gleiche Kerbe schlug,
etwas modifizierter, auch Murat Gözay, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Grüne Hamburg-Mitte, der dem Hamburger Wochenblatt zudem wörtlich
mitteilte, dass sich die Verteilung der Asylsuchenden und Obdachlosen nicht
auf die Bezirke konzentrieren sollte, sondern auf alle Stadtteile, natürlich
auch auf Billstedt, aber natürlich nicht in der angedachten Menge der Menschen.
Und dann könnte sich der Bezirk auch gleich die hohe Investitionsumme für die Sanierung
sparen.
Das aber ist anscheinend nicht gewollt und auch nicht realisierbar, von daher hat die Billstedter SPD dem Regionalausschuss einen Antrag
gestellt, dass auf dem Schulgelände die aktuell ausgeübten Nutzungen, wie
beispielsweise den BilleKidz mit ihrer Dreamdance-Factory, durch die
öffentliche Unterbringung weder zeitlich oder räumlich eingeschränkt, noch
sonst wie behindert werden dürfen. Die Unterkunft ist ihrem räumlichen Umfeld
entsprechend zu belegen. Es sollen vorrangig Familien mit Kindern untergebracht
werden. Zudem wird das Bezirksamt aufgefordert, das Bebauungsplanverfahren
auf dem Schulgelände zügig voranzutreiben. Das Verfahren darf durch die
öffentliche Unterbringung nicht verzögert werden. Ist das Stadium der
Vorweggenehmigungsreife erreicht und soll mit dem Bau tatsächlich begonnen
werden, ist das Gelände von den zuständigen Stellen sofort zur Verfügung zu
stellen. Mike Neschki
Es ist unglaublich! Hier handelt es sich um 69 Personen, die ein Dach über dem Kopf brauchen und hier in Billstedt auf dem Gelände einer alten, leer stehenden Schule untergebracht werden sollen. Die Gebäude, die sich dort befinden, sind zum großen Teil sehr sanierungsbedürftig. Dieses Gelände befindet sich in einem Gebiet mit Einfamilienhäusern und wird deshalb als eigentlich ungeeignet betrachtet - dürfen Bewohner und Bewohnerinnen von Einfamilienhäusern keine Menschen sehen, die sich in einer Notlage befinden? Oder haben sie - was ich glaube - die Befürchtung,daß ihre Immobilie durch diese 69 Personen auf dem ehemaligen Schulgelände an Wert verliert? Man schwafelt von Solidarität, sagt, daß die Flüchtlinge insgesamt ungleichmäßig über die gesamte Stadt verteilt sind, zieht noch so weit hergeholte Argumente aus der Tasche, meint aber nur: "Das Boot ist voll, wir lehnen die Aufnahme von Flüchtlingen ab!" und: "Hier ist kein Platz für Fremde!". Es sind die alten Parolen! Geplant ist,daß das Gelände für zwei Jahre auf diese Weise genutzt wird - na und? Es ist bisher sowieso im Wesentlichen ungenutzt. Das eigentliche Problem ist für mich ein anderes: es kommt meiner Meinung nach grundsätzlich darauf an, Flüchtlinge unter möglichst guten Bedingungen unterzubringen. Dazu gehört u.a. auch die Möglichkeit, Kontakte zu anderen Bewohnern des Stadtteils knüpfen zu können. Dies ist in einem Wohngebiet am besten möglich (wenn sich denn die Bewohner nicht verweigern). Klar, optimal ist immer die eigene Wohnung, aber dies ist nun mal nicht immer möglich! In meinen Augen zeigt sich hier aber auch mal wieder eine große Gefahr im Stadtteil: die Ausbreitung von ausländerfeindlichem Gedankengut und den damit verbundenen Stimmungen. Britta Everding
AntwortenLöschenHallo Frau Everding,
AntwortenLöschenAuch hier eine Antwort von mir: Die meisten Eigenheimbesitzer um das Schulgelände sind im Seniorenalter. Und diejenigen Senioren, die ich kenne, sehen dieses vorrangig als Möglichkeit spätere Pflegekosten damit abzudecken. Auch wollen Sie ihre Kinder nicht belasten. Ansonsten empfehle ich Ihnen mal das Durchklingeln. Sie werden überrascht sein, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund inzwischen ein Haus haben. Aber Sie bieten noch mehr Vorurteile: Ausländerfeindlichkeit: Unter den 300 (?) Anliegern wird es sicher jemanden geben, der fremdenfeindliche Ressentiments pflegt. Geschenkt. Dies aber allen Einfamilienhausbesitzern zu unterstellen? Und von Solidarität "schwafeln" die ja auch nur. Denn was Solidarität bedeutet, wissen ja vorrangig Sie, lernen wir hier. Extremistische Ideologien, die sie hier bei andern vermuten, zeichnen sich u.a. durch ein vereinfachtes Weltbild, Zeichnung von Feindbildern und Entmenschlichung ihres Gegenübers aus. Das nur mal so am Rande. Weiter zu ihren zwischendurch versteckten Argumenten: Das Verteilungsargument auf die gesamte Stadt sei ja sowieso auch nur die versteckte Parole "Das Boot ist voll". Erstens: Parolen schwenken vorrangig sie. Dazu: die Flüchtlinge kommen sowieso nach Dt und sowieso nach HH. Die von Ihnen unterstellte Parole habe ich auch indirekt so von niemandem gehört. In Billstedt haben wahrscheinlich inzwischen mehr als die Hälfte der Kinder Migrationshintergrund. Hinsichtlich der Bildungsabschlüsse sind die Zahlen deutlich unter dem Hamburger Durchschnitt. Diese Kinder werden dieses Land prägen und sollen es auch tragen können. Durch die soziale Spaltung muss inzwischen eine nicht unerhebliche Anzahl von Migrantenkindern in sozial Schwachen Umfeldern weitgehend unter sich lernen. Es ist unklug, die Asylbewerberkinder in die vorgesehenen Schulen zu schicken. Wir sind vor wenigen Jahren in diesen (im Rest Hamburgs objektiv verrufenen) Stadtteil gezogen, weil wir eben keine Ressentiments haben, (obwohl wir ein Haus haben). Die Stadt Hamburg hatte sich in ihrem Entwicklungskonzept 2008 auch bildungstechnisch Ziele gesetzt, deren Erreichung ich nicht erkennen kann und die durch die Entscheidung über die Unterkunft einen Rückschlag erleiden. Neben den wünschenswerten Chancen für sozial Schwache Kinder, wollen wir für unsere eigenen Kinder so gute Chancen, wie sie Kinder in besser gestellten Stadtteilen haben. Wir haben eben an eine positive Entwicklung geglaubt und sehen uns jetzt getäuscht. Im Übrigen macht es keinen Sinn für 69 Personen und 2 Jahre Dauer eine Rückschritt in der Stadtteilentwicklung und der Vertrauensbildung der jungen Familien der Mittelschicht, die man angeblich hier haben will, zu riskieren. Wir denken, es geht um einen Türöffner. Anschließend wird man Belegungszahl und Dauer in kleinen Schritten erhöhen. Das geschieht auch nicht zum ersten Mal. Im Übrigen unterscheidet die Stadt gezielt nicht mehr zwischen Asylbewerbern und Wohnungslosen. Von letzteren werden auch einige einziehen, wenn ich die offiziellen Dokumente richtig lese. Meine Kinder sind keine gestandenen Sozialarbeiterpersönlichkeiten, sondern im Rahmen ihrer Entwicklung durchaus schutzbedürftig. Ich finde es jetzt schon mehr als grenzwertig im Sommer täglich an Trinkertreffs vorbeizukommen. Was hier jetzt noch fehlt ist ein Drogentreff mit umherliegenden Spritzen auf der Straße. Warum nicht, sind auch nur Menschen und die müssen ja auch irgendwo hin, und wenn die Stadt sagt wieder Billstedt, sind Sie wahrscheinlich als Erste dafür.
Kita-, Schulbesuch sowie weiteres Wohnen in Billstedt hat für uns an überzeugenden Argumenten verloren. Leute wie Sie, bestärken uns darin.
Die Anwohnerin