Dienstag, 12. Juli 2011

Patenschaft für Kinder

Die Behauptung, dass soziale Einrichtungen wie beispielsweise die Ehlerdingstiftung wie Pilze aus dem Boden sprießen, wäre  ganz sicher übertrieben. Dass sich aber zunehmend Einrichtungen um mehr oder minder sozial­schwächere Menschen kümmern, ist unbestritten. Und das ist auch gut so, denn: „Nachbarschaftshilfe, wie man es noch von früher kennt,“ so Christina Bloch, Pr­o­jektleiterin für Aktivpaten­schaften der Ehlerding-Stiftung, „gibt es doch heute gar nicht mehr.“


Was aber ist der Grund? Wo bleibt die Nachbarschaftshilfe?
Zum einen ist es sicherlich die Flexibilität, die Menschen heute zum Beispiel bei der Arbeits­platzsuche brauchen. Wer flexibel ist, hat einfach größere Chancen auf einen Job. Der Nachteil liegt auf der Hand. Es ist der damit oft verbundene Ortswechsel, der unter Umständen private Netzwerke zerreißt. Ein weiteres negatives Argument ist, dass Bürger mit Migrationshintergrund oft der deutschen Sprache nicht wirklich mächtig sind, und von daher erst gar keine Netzwerke aufbauen können. Zudem führen hier und da auch die gewollten oder unge­wollten Singlehaushalte mit Kin­dern vermehrt zur Arbeitslosigkeit oder zu minderwertigen Jobs und bedingt dadurch zu starken finanziellen Einbußen und damit zur Vereinsamung. 

Diese und viele weitere Gründe waren ausschlaggebend dafür, dass Ingrid Ehlerding zusammen mit ihrem Mann Karl Ehlerding vor über zehn Jahren eine Stiftung mit den Förderschwerpunkten “Kinder und Umwelt“ gründeten, die sie auch heute noch mit ihrem Privatvermögen unterstützt. „Denn schon vor über 20 Jahren hatte die heutige Vorstandsvor­sitzende als junge Frau eine private Patenschaft für Kinder einer türkischen Familie übernommen,“ erzählte mir Frau Bloch, „und dieser Kontakt ist bis heute nicht abgebrochen. Das ist doch schön, oder?“

Derzeit gibt es in der Ehlerding-Stiftung über 80 Patenschaften, „aber noch immer warten mindestens 30 bis 40 Kinder auf neue Paten, Und es werden täglich mehr“ so Christina Bloch weiter. „Wir suchen händeringend nach freundlichen, offenen Menschen, die gern mit Kindern drei bis vier Stunden in der Woche sinnvoll die Zeit verbringen wollen. Unter der Telefonnummer 040.41 17 23-0 sind wir jederzeit für Interessenten da.“ 

Mit einer der ersten Patin der Stiftung, der Zahnärztin Frau Dr. Wilhelm aus Ochsenwerder, die  mittlerweile seit 2009 für die Stiftung ehrenamtlich tätig ist, haben wir uns in Billstedt mit “ihren“ Kindern getroffen. Sila Sophie (10) und ihre Schwester Yelda (7) duzen sie. „Natürlich, warum auch nicht, schließlich duze ich die Kinder doch auch!“

Was denn ihr Antrieb war, eine Patenschaft zu übernehmen, fragte ich sie. „Ich wollte endlich etwas Soziales machen,“ war ihre einfache Antwort, „und da Arztpraxen bekanntlich Mittwochnachmittags immer geschlossen haben, bot sich dieser Tag an, um mit den Kleinen etwas Sinnvolles zu unternehmen.

Die Mutter von Yleda und Sila Sophie, Frau Rheder, die auch noch einen kleinen Sohn hat, ist selbst Erzieherin und froh darüber, dass Frau Dr. Wilhelm einmal die Woche etwas mit ihren Kindern unternimmt. Sie selbst sei alleinstehend, denn ihr Mann ist vor ein paar Jahren wieder zurück in die Türkei gesiedelt, und seit­dem ist sie in einer Grundschule ganztags beschäftigt. „Dadurch habe natürlich wenig Zeit mich um Ausflüge, Spaziergänge und kul­turelle Dinge wie Kino-, Museen- oder Theaterbesuche zu küm­mern,“ erzählt mir die Mutter von Yelda und Sila Sophie. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass sich zwischen­zeitlich sogar so etwas wie eine Freundschaft mit der Patenmutter entwickelt hat, der beide Kinder mittlerweile ans Herz gewachsen sind. „Das stimmt, wir reden über alles, auch über verlorene Schuhe“, schmunzelt sie, „die mir auf einem Waldspazier­gang mit den “Lüdden“ abhanden gekommen sind. Die sind einfach im Matschboden stecken geblieben und weg waren sie.

À propos abhanden gekommen. Wie es denn mit den Aufwän­d­ungen sei, die natürlich anfallen, wenn man mit der Bahn fährt oder Einrichtungen besucht, fragte ich noch nach: „Dafür hat die Stiftung einen kleinen Etat von etwa 30 Euro monat­lich pro Patenschaft,“ klärte sie mich auf, „aber das ist mir egal. Ich bezahle eh alles aus eigener Tasche. Soviel ist es ja auch nicht, außerdem bekomme ich von den Kindern viel, viel mehr zurück. Das würde ich für 30 Euro im Monat nirgends auf der Welt erhalten.“
Wie Recht sie hat. Mike Neschki

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen