Die Behauptung, dass soziale Einrichtungen wie
beispielsweise die Ehlerdingstiftung wie Pilze aus dem Boden sprießen,
wäre ganz sicher übertrieben. Dass sich
aber zunehmend Einrichtungen um mehr oder minder sozialschwächere Menschen
kümmern, ist unbestritten. Und das ist auch gut so, denn: „Nachbarschaftshilfe,
wie man es noch von früher kennt,“ so Christina Bloch, Projektleiterin für
Aktivpatenschaften der Ehlerding-Stiftung, „gibt es doch heute gar nicht
mehr.“
Was aber ist der Grund? Wo bleibt die Nachbarschaftshilfe?
Zum einen ist es sicherlich die Flexibilität, die Menschen
heute zum Beispiel bei der Arbeitsplatzsuche brauchen. Wer flexibel ist, hat
einfach größere Chancen auf einen Job. Der Nachteil liegt auf der Hand. Es ist
der damit oft verbundene Ortswechsel, der unter Umständen private Netzwerke
zerreißt. Ein weiteres negatives Argument ist, dass Bürger mit
Migrationshintergrund oft der deutschen Sprache nicht wirklich mächtig sind,
und von daher erst gar keine Netzwerke aufbauen können. Zudem führen hier und
da auch die gewollten oder ungewollten Singlehaushalte mit Kindern vermehrt
zur Arbeitslosigkeit oder zu minderwertigen Jobs und bedingt dadurch zu starken
finanziellen Einbußen und damit zur Vereinsamung.
Diese und viele weitere Gründe waren ausschlaggebend dafür,
dass Ingrid Ehlerding zusammen mit ihrem Mann Karl Ehlerding vor über zehn
Jahren eine Stiftung mit den Förderschwerpunkten “Kinder und Umwelt“ gründeten,
die sie auch heute noch mit ihrem Privatvermögen unterstützt. „Denn schon vor
über 20 Jahren hatte die heutige Vorstandsvorsitzende als junge Frau eine
private Patenschaft für Kinder einer türkischen Familie übernommen,“ erzählte
mir Frau Bloch, „und dieser Kontakt ist bis heute nicht abgebrochen. Das ist
doch schön, oder?“
Derzeit gibt es in der Ehlerding-Stiftung über 80
Patenschaften, „aber noch immer warten mindestens 30 bis 40 Kinder auf neue
Paten, Und es werden täglich mehr“ so Christina Bloch weiter. „Wir suchen
händeringend nach freundlichen, offenen Menschen, die gern mit Kindern drei bis
vier Stunden in der Woche sinnvoll die Zeit verbringen wollen. Unter der
Telefonnummer 040.41 17 23-0 sind wir jederzeit für Interessenten da.“
Mit einer der ersten Patin der Stiftung, der Zahnärztin Frau
Dr. Wilhelm aus Ochsenwerder, die
mittlerweile seit 2009 für die Stiftung ehrenamtlich tätig ist, haben
wir uns in Billstedt mit “ihren“ Kindern getroffen. Sila Sophie (10) und ihre
Schwester Yelda (7) duzen sie. „Natürlich, warum auch nicht, schließlich duze
ich die Kinder doch auch!“
Was denn ihr Antrieb war, eine Patenschaft zu übernehmen,
fragte ich sie. „Ich wollte endlich etwas Soziales machen,“ war ihre einfache
Antwort, „und da Arztpraxen bekanntlich Mittwochnachmittags immer geschlossen
haben, bot sich dieser Tag an, um mit den Kleinen etwas Sinnvolles zu
unternehmen.
Die Mutter von Yleda und Sila Sophie, Frau Rheder, die auch
noch einen kleinen Sohn hat, ist selbst Erzieherin und froh darüber, dass Frau
Dr. Wilhelm einmal die Woche etwas mit ihren Kindern unternimmt. Sie selbst sei
alleinstehend, denn ihr Mann ist vor ein paar Jahren wieder zurück in die
Türkei gesiedelt, und seitdem ist sie in einer Grundschule ganztags
beschäftigt. „Dadurch habe natürlich wenig Zeit mich um Ausflüge, Spaziergänge
und kulturelle Dinge wie Kino-, Museen- oder Theaterbesuche zu kümmern,“
erzählt mir die Mutter von Yelda und Sila Sophie. Ein weiterer positiver Aspekt
ist, dass sich zwischenzeitlich sogar so etwas wie eine Freundschaft mit der
Patenmutter entwickelt hat, der beide Kinder mittlerweile ans Herz gewachsen
sind. „Das stimmt, wir reden über alles, auch über verlorene Schuhe“,
schmunzelt sie, „die mir auf einem Waldspaziergang mit den “Lüdden“ abhanden
gekommen sind. Die sind einfach im Matschboden stecken geblieben und weg waren
sie.
À propos abhanden gekommen. Wie es denn mit den Aufwändungen
sei, die natürlich anfallen, wenn man mit der Bahn fährt oder Einrichtungen
besucht, fragte ich noch nach: „Dafür hat die Stiftung einen kleinen Etat von etwa 30 Euro
monatlich pro Patenschaft,“ klärte sie mich auf, „aber das ist mir egal. Ich
bezahle eh alles aus eigener Tasche. Soviel ist es ja auch nicht, außerdem
bekomme ich von den Kindern viel, viel mehr zurück. Das würde ich für 30 Euro
im Monat nirgends auf der Welt erhalten.“
Wie Recht sie hat. Mike Neschki
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