Donnerstag, 18. August 2011

Schiffbeker Berg



Rund 9500 Men­schen leben in diesem Bereich, also etwa vier­mal mehr als im Quartier Steinfurther Allee/Kaltenber­gen. Doch bevor die Ver­änderungen der letzten Jahre ange­sprochen wer­den, vor­weg einige poli­zei­statis­tische Zah­len, die ganz interes­sant sind, weil sie unter Umständen den schlech­ten Ruf der beiden Stadt­teile Billstedt und Horn etwas relativieren. Diese Zahlen sagen aus, dass in Billstedt 2010 rund 9000 Straftaten begangen wurden. Das ist eine Zahl, die einen erst mal trocken schlucken lässt. Positiv ist, dass in Horn dagegen wurde “nur“ etwa die Hälfte an Straftaten gezählt wurde.

Natürlich ist auch diese Zahl negativ imposant, aber betrachtet man die Zahlen einiger andere Stadtteile, nämlich die, in denen immer mehr “gut situierte“ Menschen wohnen wollen, also St. Pauli mit dem Schan­zen­vier­tel, St. Georg oder Al­tona inklusiv Ottensen, dann rela­tiviert sich die Billstedter und Horner Straf­taten­zahl tatsächlich, ohne sie zu Beschönigen. In Altona-Altstadt, Altona-Nord und – auch wenn es die Bewohner nicht gerne hören – in Ottensen, wurden im letzten Jahr rund 10.000 Straftaten gezählt. Wobei sich die Menge der Straftaten in den drei Stadtteilen sehr ähneln. In St. Ge­org vermerkte die Polizei dagegen schon 15.000 Straf­taten und in St. Pauli wurden zu­sammen mit dem Schan­zen­viertel so­gar rund 18.000 Straf­taten gezählt. Also doppelt so viel wie in Billstedt. Eine enorme Zahl.

Wenn man jetzt spaßeshalber die An­zahl aller Grün­flächen der ge­nannten Stadtteile je­weils zusam­menstellt, also die der Parks und Kleingär­ten, er­kannt man, dass der ge­samte Ent­wick­lungsraum Billstedt-Horn mit fast einem Drittel Grün­fläche belegt ist. Und diese Fläche ist ganz sicher nicht kleiner als in den anderen genannten Stadtteilen. Eher im Gegenteil. Wa­rum also Billstedt-Horn einen schlech­teren Ruf hat als St. Pauli, Altona oder St. Georg und als nicht lebens- und liebenswert gelten, kann mit klarem Gedanken eigentlich nicht beantwortet werden.

Dass die Gründe nach St. Pauli, Al­tona oder St. Georg zu ziehen unter Umständen andere sind, Stichwort Lebensqualität durch Kneipen und Res­­­taurants sind nachvoll­zieh­bar. Viel­­leicht. Weil es alle tun und weil es schick ist da zu wohnen, egal was es kostet. Ein Schaf folgt seiner Herde ja schließlich auch.

Echte Lebens­qualität fin­det man aber auch in Billstedt und Horn, sofern man sie sucht. Vor allem Familien. Und ge­nau das ist der Punkt. Allein im Quartier Schiff­­beker Berg-Legien­center-Wash­ing­ton­ring be­finden sich vier Kitas. Das allein wäre schon beachtenswert, aber zusätzlich gibt es noch weitere Ange­bote für Kinder. Zudem wird ge­rade die “Spiel- und Frei­zeit­fläche Steinfeldtstraße/Ihlestraße“ für rund 300.000 Euro umgestaltet. Im Rah­men dieser Umgestaltungsaktion gab es sogar verschie­dene Beteili­gungs­akti­onen wie bei­spielsweise der Kinder­akti­ons­tag in Kooperation mit der Kita “Glückliche Kids“, bei der die vier- bis sechsjährigen Kleinen gesagt und gezeigt haben, was sie ver­ändert haben möchten. Erstaun­lich. Darüber hinaus gab es noch eine Eltern­runde, eben­falls in Kooperation mit der Kita und eine öffentliche Ver­an­stal­tung mit rund 40 Teilneh­mern. Im Frühjahr, wenn alles fertig ist, soll es ein großes Fest geben. Wir sind gespannt.

Des Weiteren wurde der Bolzplatz Kurier­gang für rund 100.000 Euro umge­baut, an denen sowohl bei der Planung als auch bei der Durch­füh­rung kräftig die späteren Nutzer mit­geholfen haben. Daran ist zu er­kennen, dass nicht nur gemeckert oder einfach nur angenom­men- son­dern auch mitgeholfen wird. Super, so sieht aktive Bürger­initia­tive aus.

Weitere bauliche Maßnahmen sind der Neubau der “Kinderwerk­statt, Jugendarbeit e.V.“ und die Ver­walterloge hinterm Legiencenter. In naher Zukunft wird mit der Um­gestaltung der Außenanlagen süd­lich und nördlich der Horner Landstraße und Bill­stedter Hauptstraße begon­nen. Da­­durch bekommen die “Ein­gänge“ der bei­den Stadtt­eile ein völlig neues und viel freundlicheres Er­scheinungsbild. Auch über Verbesse­rungsmaßnahmen des Wohn­­umfeldes Washingtonring gibt es schon konkre­te Überlegungen. Wenn die Stadtent­wickler  so weiter machen, wird Bill­stedt und Horn noch zu Vorzeige­objekten der Hansestadt. Den Status des Naherho­lungs­gebietes durch die Boberger Dü­nen und dem Öjendorfer Park haben sie ja eh schon. Es weiß nur keiner.


Ein anderes, allerdings nicht so er­freuliches Thema, sind die “Trinker“ am Bahn­hof Legienstraße. „Wobei die Trinker selbst gar nicht das Problem sind,“ so Lea Frisinger von der Stadterneu­erungs- und Stadt­entwicklungsgesell­schaft “steg“, „die sind häufig nett und hilfs­bereit. Elementar und ganz konkret sind vielmehr die beengte Eingangssituation und die mensch­lichen Be­dürf­nisse.“ Tat­sächlich wurde die vorhandene öff­ent­liche Toi­lette am Bahnhof Legi­enstraße, aus welchen Gründen auch immer, geschlos­sen. Entsprechend werden Büsche und Hecken rings um den Eingang des Bahnhofes als Urinale miss­braucht. Das ist natürlich nicht nur verboten sondern auch nicht ange­nehm für die Anwoh­ner. Jetzt über­legt das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung, wie dieses Pro­blem gelöst wer­den kann. Zu diesen Überlegungen gehört auch, dass über einen zweiten Eingang zu der U-Bahnstation „Legienstraße“ nachgedacht wird. Substanti­elle Aussagen dazu gibt es allerdings noch keine, aber auch da bleiben wir dran.

Ein ganz spezielles Thema ist das Legiencenter, auch Bunker genannt. Um es kurz zusammenzufassen. Die­ser Gebäudekomplex verfügt über 151 Wohnungen, in denen viele Kin­derreiche Familien mit geringem Einkommen und/oder Migrationshin­tergrund oder -Erfahrung leben. Drogenkonsum und wei­tere krimi­nelle Handlungen in den Eingangs­bereichen gehören mehr oder weniger zur Tagesordnung. Von daher gestal­ten sich auch die Neuvermietungen als äußerst schwierig. Doch das pri­märe Problem sind die Kinder. Die gilt es zu erreichen. Auf der Straßen­abgewandten Seite des “Bunkers“ gibt es nämlich genügend Freiflächen, auf denen eine gemein­same Spiel­kultur entwickelt werden kann und schon entwickelt wurde. Neben der Bewegungsför­derung soll dadurch vor allem auch die sozialen Kompetenzen zu­sammen mit den Eltern gefördert werden. Gemeinsam mit den Kindern wurden schon neue Spiele entwickelt, die kulturübergrei­fend – es leben hier Menschen aus zehn verschiedene Kulturkreisen auf engstem Raum – eine Spielsprache sprechen.

Seit August gibt es einen “Laubfrosch“, das ist ein grüner Material-Container, um darin Be­­we­gungs- und Spielma­terial zu lagern, um diese zu verschie­denen Ter­minen an­bieten zu können. Neben den Spieltätigkeiten werden rund um das Legiencenter auch im­mer wieder Aktivitäten mit partizipa­tiven An­spruch angeboten. Die Ju­gend­lichen können sich zusammen mit den Eltern aktiv an der Gestaltung und Erhaltung ihres Platzes beteili­gen. So wurden schon Grünflächen angelegt, Zäune repariert oder Beton­wände gesäubert.

Ein ganz wichtiges Projekt, man nennt es „Wake up“, ist schon 2007 gegründet worden. Hierzu wurde in der Legienstraße 2 eine Wohnung genutzt, die seitens der OHG zur Verfügung gestellt wird, in der morgens Schulbrote geschmiert und an dort wohnende Kin­­der verteilt werden. Nachmittags wird den Kindern geholfen, die Schwierigkeiten bei den Hausauf­gaben haben und es wird Unter­stüt­zung  in Krisensituationen ange­bo­ten.

Wenn es die Behörde jetzt noch ver­stehen würde, dass in einer Kinder­reichen Gegend wie Billstedt und Horn  Spielhallen so nötig sind wie ein Kropf, würden sie nicht nur neue Spielhallen nicht bauen, sondern auch die schon bestehenden Spielhallen entfernen lassen. Das wäre unter all­ den auf­gezählten positiven Verände­rungen eine echte Maßnahme und würde das Gesamt­er­scheinungsbild der Stadt­teile richtig abrunden, weil damit ein fettes Ausrufezeichen ge­setzt werden würde. Und es wäre enorm wichtig für die Halbwüchs­i­gen, denen wir Erwachs­ene sollen ja schließlich Vorbild sein sollen. Das wird leider auch immer wieder gern vergessen.

Es gibt noch viel zu tun, aber schön ist es zu sehen, dass in diesem Bezirk viel bewegt wird. Auch von der Bevölkerung. Und das sollen andere erst einmal nachmachen. Mike Neschki

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