Am 5. Juni schrieb das Hamburger Abendblatt, dass hochgiftiger
Müll aus Indien nach Deutschland – als mögliches Ziel ist Billbrook im Gespräch
– transportiert werden soll, um entsorgt zu werden. Um welchen Müll es sich
dabei genau handelt, ist noch völlig unklar. Angeblich um den Giftmüll einer
Pestizidfabrik des US-Chemiekonzerns Union Car-bide Corporation in Bhopal, auf
dessen Gelände eine Giftgaswolke entstand, durch die 1984 mehrere tausend
Menschen innerhalb weniger Stunden ihr Leben verloren. Schätzungen der Opferzahlen
reichen bis zu 25.000 Toten durch direkten Kontakt mit der Wolke sowie bis zu
500.000 Verletzten, die bis heute unter den Folgen des Unfalls leiden.
Nach Bekanntgabe setzte sich die Bürgervereinigung “Hallo
Billstedt“ sofort mit Vertretern sämtlicher Parteien und dem BUND zusammen,
um erste Schritte zur Verhinderung dieser Lieferung zu beratschlagen. Es wäre nämlich
nicht das erste Mal, das Billstedter Bürger und ihre Vereinigungen wie eben „Hallo
Billstedt“ und/ oder „Wir für Billstedt“ und entsprechende Arbeitskreise –
jüngstes Beispiel ist der “Schlickberg“ – etwas verhindern konnten.
„Uns kommt es so ein bisschen vor,“ so Johanna Vondey vom
BUND, „wie vor fünf Jahren der Import von belasteten Böden und
Produktionsrückständen einer ehe-maligen australischen Pestizidfir-ma. Die
wollten damals auch ihren Giftmüll in Deutschland beseitigen.“ Das konnte durch
heftigen Protest des BUND zusammen mit Umweltgruppen aus Nordrhein-Westfalen
und Schleswig-Holstein auch verhindert werden. Es sieht laut BUND ganz so aus,
als sollte nun ein neuer Versuch unternom-men werden, die Barrieren eines
Giftmülltourismus einzureißen.
„Das wäre gefährlich,“ warnt laut HA der Vorsitzende des
Hambur-ger Umweltinstituts, Dr. Michael Braungart, der auf eine Zeitungsnotiz
der “India’s Independent Weekly News Magazin“ gestoßen war, in der es heißt,
dass die GIZ (deutsche staatliche Gesellschaft für internationale
Zusammenarbeit) Indien angeboten hätte, die 350 Tonnen per Luftfracht nach
Hamburg zu transportieren und sicher in einer Müllverbrennungs-anlage zu
behandeln.
Behandeln lassen müssen sich hinterher allerdings auch die
Bürger, sofern der Deal zustande kommt, denn Quecksilber, und das soll sich in
diesem Giftmüll befinden, kann nicht verbrannt werden. Würde einfach
ausgedrückt durch die Schornsteine in die Luft geschleudert werden und je nach
Wetterlage irgendwo in Billstedt, in den Boberger Niederungen oder wo auch
immer, herunterfallen. Um welche weiteren Inhaltsstoffe es sich genau handelt,
gibt es keine Informationen. Dafür aber eine Bestätigung von GIZ-Sprecher Hans
Stehling, allerdings mit dem Einwand, dass der Gesellschaft bisher weder ein
fester Auftrag vorliegt, noch die Standortfrage geklärt sei.
Tatsächlich gibt es nicht nur die Verbrennungsanlage in
Billbrook, sondern rund 20 Anlagen in ganz Deutschland. „Und damit geht es
nicht nur um Billstedt, sondern um die ganze Republik,“ warnte Britta Everding,
Mitglied bei “Hallo Billstedt“ alle Beteiligten. „Denn was im Osten Hamburgs
nicht gewollt ist, wird auch in anderen Regionen Deutschlands keine Freunde
finden.“
Greenpeace fordert, der indischen Industrie das Equipment
und fachliche Informationen zur Beseiti-gung ihres hochgiftigen Mülls zur
Verfügung zu stellen, anstatt die-sen um die halbe Welt zu transpor-tieren.
„All das wäre überhaupt nicht nötig,“ so Chemieprofessor
Michael Braungart, „dennn wenn man wollte, könnte es heute schon eine
Gesellschaft geben, in der jeglicher Müll wiederverwertet werden könnte.“ Dazu
Uwe Böhm, Mitglied von “Hallo Billstedt“: „Man kann den Giftmüllproduzierenden
Ländern nur raten damit aufzuhören, sonst wird sich das Land davon nie mehr
erholen.“
Billstedter Kommunalpolitiker und Vertreter der
Umweltverbände stellen sich die Frage, wieso Indien seinen Giftmüll eigentlich nicht
selbst entsorgen kann. Dieses riesige Land ist doch führend in der TextilIndustrie
und produziert dadurch monatlich rund 20.000 Tonnen Giftmüll. Von daher hören
sich die 350 Tonnen, die mit dem Flugzeug nach Deutschland transportiert
werden sollen, unglaubwürdig an. Zumal
in Pithampur, nur 200 Kilometer entfernt, eine moderne Müllverbrennungsanlage existiert.
Doch daran hat die Indus-trie hierzulande natürlich über-haupt kein Interesse.
Europäische Umweltverbände vermuten sogar, dass es sich überhaupt nicht um den
Stoff handelt, durch den 1984 die Chemiekatasrophe verursacht wurde, sondern um
Reste aus der-zeitigen Pestezidproduktionen.
Laut BUND dient der Giftmüll aus Bhopal nur dazu, dass sich die
Bevölkerung in Deutschland mora-lisch verpflichtet fühlen soll, dem Deal
kommentarlos zuzustimmen, um dann klammheimlich weiteren Müll aus Indien zu entsorgen.
Das aber wird nicht so einfach sein, denn seitens aller
Parteien gibt es weitere Frage, die
unter anderem schon als Interfraktionelle Anträge an den Regionalausschuss in
Billstedt und als schriftliche kleine Anfrage an die Bürgerschaft formuliert wurden. Zum Beispiel die Frage der
FDP, ob die GIZ bereits ein Ersuchen an den Hamburger Senat hinsichtlich der
Entsorgung des Sonderabfalls aus Bhopal gerichtet hat, oder ob die Entsorgung
in Müllverbrennungs-anlagen auf Hamburger Gebiet unterstützt oder geduldet wird.
Die Billstedter CDU stellt sich die Frage, ob eine Zwischenlagerung
erforderlich ist und wenn ja, wo die erfolgen soll. Die SPD fordert sogar ihre
eigene Partei im Hamburger Senat auf, alle ihm bekannten und in Zukunft bekannt
werdenden Informationen zu dem hier behandelten Vorgang offen-zulegen und eine
sich konkre-tisierende Verbringung nach Ham-burg zum Schutz der Billstedter
Bevölkerung unter Einhaltung der internationalen Bestimmungen abzulehnen.
Fazit: Bekanntlich wird nichts so heiß gegessen wie es
gekocht wird. Dieser Vorgang aber scheint nicht lauwarm zu werden. Ganz im
Gegenteil. Von daher ist die präventive Vorgehensweise wichtig, bevor es zu
spät ist. Mike Neschki
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