Samstag, 9. Juni 2012

Giftmüllnach Bhopal?


Am 5. Juni schrieb das Hamburger Abendblatt, dass hochgiftiger Müll aus Indien nach Deutschland – als mögliches Ziel ist Billbrook im Gespräch – transportiert werden soll, um entsorgt zu werden. Um welchen Müll es sich dabei genau handelt, ist noch völlig unklar. Angeblich um den Giftmüll einer Pestizidfabrik des US-Chemiekonzerns Union Car-bide Corporation in Bhopal, auf dessen Gelände eine Giftgaswolke entstand, durch die 1984 mehrere tausend Menschen innerhalb weniger Stunden ihr Leben verloren. Schätzungen der Opferzahlen reichen bis zu 25.000 Toten durch direkten Kontakt mit der Wolke sowie bis zu 500.000 Verletzten, die bis heute unter den Folgen des Unfalls leiden.

Nach Bekanntgabe setzte sich die Bürgervereinigung “Hallo Billstedt“ sofort mit Vertretern sämtlicher Parteien und dem BUND zusammen, um erste Schritte zur Verhinderung dieser Lieferung zu beratschlagen. Es wäre nämlich nicht das erste Mal, das Billstedter Bürger und ihre Vereinigungen wie eben „Hallo Billstedt“ und/ oder „Wir für Billstedt“ und entsprechende Arbeitskreise – jüngstes Beispiel ist der “Schlickberg“ – etwas verhindern konnten. 

„Uns kommt es so ein bisschen vor,“ so Johanna Vondey vom BUND, „wie vor fünf Jahren der Import von belasteten Böden und Produktionsrückständen einer ehe-maligen australischen Pestizidfir-ma. Die wollten damals auch ihren Giftmüll in Deutschland beseitigen.“ Das konnte durch heftigen Protest des BUND zusammen mit Umweltgruppen aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein auch verhindert werden. Es sieht laut BUND ganz so aus, als sollte nun ein neuer Versuch unternom-men werden, die Barrieren eines Giftmülltourismus einzureißen.

„Das wäre gefährlich,“ warnt laut HA der Vorsitzende des Hambur-ger Umweltinstituts, Dr. Michael Braungart, der auf eine Zeitungsnotiz der “India’s Independent Weekly News Magazin“ gestoßen war, in der es heißt, dass die GIZ (deutsche staatliche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) Indien angeboten hätte, die 350 Tonnen per Luftfracht nach Hamburg zu transportieren und sicher in einer Müllverbrennungs-anlage zu behandeln.

Behandeln lassen müssen sich hinterher allerdings auch die Bürger, sofern der Deal zustande kommt, denn Quecksilber, und das soll sich in diesem Giftmüll befinden, kann nicht verbrannt werden. Würde einfach ausgedrückt durch die Schornsteine in die Luft geschleudert werden und je nach Wetterlage irgendwo in Billstedt, in den Boberger Niederungen oder wo auch immer, herunterfallen. Um welche weiteren Inhaltsstoffe es sich genau handelt, gibt es keine Informationen. Dafür aber eine Bestätigung von GIZ-Sprecher Hans Stehling, allerdings mit dem Einwand, dass der Gesellschaft bisher weder ein fester Auftrag vorliegt, noch die Standortfrage geklärt sei.


Tatsächlich gibt es nicht nur die Verbrennungsanlage in Billbrook, sondern rund 20 Anlagen in ganz Deutschland. „Und damit geht es nicht nur um Billstedt, sondern um die ganze Republik,“ warnte Britta Everding, Mitglied bei “Hallo Billstedt“ alle Beteiligten. „Denn was im Osten Hamburgs nicht gewollt ist, wird auch in anderen Regionen Deutschlands keine Freunde finden.“

Greenpeace fordert, der indischen Industrie das Equipment und fachliche Informationen zur Beseiti-gung ihres hochgiftigen Mülls zur Verfügung zu stellen, anstatt die-sen um die halbe Welt zu transpor-tieren.
„All das wäre überhaupt nicht nötig,“ so Chemieprofessor Michael Braungart, „dennn wenn man wollte, könnte es heute schon eine Gesellschaft geben, in der jeglicher Müll wiederverwertet werden könnte.“ Dazu Uwe Böhm, Mitglied von “Hallo Billstedt“: „Man kann den Giftmüllproduzierenden Ländern nur raten damit aufzuhören, sonst wird sich das Land davon nie mehr erholen.“

Billstedter Kommunalpolitiker und Vertreter der Umweltverbände stellen sich die Frage, wieso Indien seinen Giftmüll eigentlich nicht selbst entsorgen kann. Dieses riesige Land ist doch führend in der TextilIndustrie und produziert dadurch monatlich rund 20.000 Tonnen Giftmüll. Von daher hören sich die 350 Tonnen, die mit dem Flugzeug nach Deutschland transportiert werden sollen, unglaubwürdig an. Zumal in Pithampur, nur 200 Kilometer entfernt, eine moderne Müllverbrennungsanlage existiert. Doch daran hat die Indus-trie hierzulande natürlich über-haupt kein Interesse. Europäische Umweltverbände vermuten sogar, dass es sich überhaupt nicht um den Stoff handelt, durch den 1984 die Chemiekatasrophe verursacht wurde, sondern um Reste aus der-zeitigen Pestezidproduktionen.

Laut BUND dient der Giftmüll aus Bhopal nur dazu, dass sich die Bevölkerung in Deutschland mora-lisch verpflichtet fühlen soll, dem Deal kommentarlos zuzustimmen, um dann klammheimlich weiteren Müll aus Indien zu entsorgen.

Das aber wird nicht so einfach sein, denn seitens aller Parteien gibt es  weitere Frage, die unter anderem schon als Interfraktionelle Anträge an den Regionalausschuss in Billstedt und als schriftliche kleine Anfrage an die Bürgerschaft  formuliert wurden. Zum Beispiel die Frage der FDP, ob die GIZ bereits ein Ersuchen an den Hamburger Senat hinsichtlich der Entsorgung des Sonderabfalls aus Bhopal gerichtet hat, oder ob die Entsorgung in Müllverbrennungs-anlagen auf Hamburger Gebiet unterstützt oder geduldet wird. Die Billstedter CDU stellt sich die Frage, ob eine Zwischenlagerung erforderlich ist und wenn ja, wo die erfolgen soll. Die SPD fordert sogar ihre eigene Partei im Hamburger Senat auf, alle ihm bekannten und in Zukunft bekannt werdenden Informationen zu dem hier behandelten Vorgang offen-zulegen und eine sich konkre-tisierende Verbringung nach Ham-burg zum Schutz der Billstedter Bevölkerung unter Einhaltung der internationalen Bestimmungen abzulehnen.

Fazit: Bekanntlich wird nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird. Dieser Vorgang aber scheint nicht lauwarm zu werden. Ganz im Gegenteil. Von daher ist die präventive Vorgehensweise wichtig, bevor es zu spät ist. Mike Neschki

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