Die Behauptung einiger böser Menschen, der liebe Gott
erschuf Billstedt und Horn im Zorn, ist eher eine schnöde Assertion denn ein
gelungener Reim, der vor allem der Wahrheit noch nicht einmal nahe kommt. Ganz
im Gegenteil, denn Billstedt ist eine aus dem Jahre 1928 von Menschen
erschaffene Zusammenlegung der Dörfer Kirchsteinbek, Öjendorf und Schiffbek,
die allesamt schon im 13. Jahrhundert das erste Mal urkundlich erwähnt wurden.
Der Standort des Ortes Schiffbek beispielsweise, das sich
durch den Bau einer Jutefabrik schon 1883 vom Dorf zu einem sogenannten
Arbeiterwohnort entwickelte, ist heute das Zentrum Billstedts. Dass Schiffbek
sich damals schon zu einem Arbeiterwohnort entwickelte, begründet sich durch
die Beschaffung neuer Wohnungen für die Gehilfen, Handwerker und -langer, bei der die Jutefabrik sozusagen
selbst tatkräftig voranging. Die Firmenleiter des Werkes ließen damals
praktisch parallel zum Fabrikbau die sogenannten Spinnhäuser an der Möllner
Landstraße bis zur Billstedter Hauptstraße erstellen.
Ganz im Gegensatz zu heute siedelten sich früher immer
mehr Industriebetriebe im späteren Billstedt an. Nachdem die Jutefabrik
schon höchst erfolgreich in Schiffbek tätig war, folgten schnell unter anderem
eine chemische Fabrik und eine Gummifabrik. Dazu gesellten sich noch eine
Seilerei, ein Sägewerk und eine Farbholzmühle. Aber auch eine Eisenfabrik
wurde dort ansässig, die unter anderem die Förderkörbe und Torverschlüsse für
den alten Elbtunnel fertigte.
Der Name dieses damals neu gegründeten Ortes Billstedt
bezieht sich übrigens auf den Fluss Bille, der südlich dieser drei Dörfer die
Gemeinde begrenzt und bei ihrer Zusammenlegung 2154 Einwohner zählte. In
Hamburg eingemeindet aber wurde Billstedt erst 1937. Kurioserweise gab es auch
einen Bezirk, der sich Kamerun nannte. Die Geschichte dazu ist nicht belegt,
denn alle Unterlagen sind im Woermannhaus der Reederei Woermann, ehemals größte
Privatreederei der Welt, die unter anderem auch Handel mit Kamerun betrieb,
verbrannt. Doch ein Urenkel der Familie, Heinrich Woermann, vermutet, dass
seine Großmutter das Gebiet Öjendorf um 1912 kaufte und den Siedlern zu Nebenerwerbszwecken
zur Verfügung stellte. Dazu wurden den Siedlern derzeit günstige Hypotheken zum
Hausbau vergeben. 1948 ist noch ein letzter Siedler und Hypothekenzahler in
Billstedt belegt. Später wurde dort die Großwohnsiedlung Kaltenbergen
gebaut. Bevor jedoch der erste Spatenstich erfolgen konnte, musste allerdings
erst einmal die riesige Müllhalde, die zu dieser Zeit noch zuhauf um Hamburg
herum entstanden und auf der sich unzählige Tierkadaver und gesunkene
Schiffsladungen bedingt durch die Sturmflutkatastrophe 1962 befanden,
eingeebnet werden.
Mümmelmannsberg, der aus dem Nichts erbaute Stadtteil am
Rande der Boberger Dünen, folgte 1970.
Das im Urstromtal der Elbe liegende Horn dagegen wurde im
Gegensatz zu den Dörfern die Billstedt begründeten, erst 1306 das erste Mal
urkundlich erwähnt. Nach vielen Unruhen und Kriegen – die französischen
Besatzer planten dieses schöne Gebiet sogar als Schussfeld gegen die anrückenden
russischen Truppen niederzubrennen – doch waren diese schneller als geplant,
und so konnte die Region glücklicherweise vor den Flammen gerettet werden. Anfang
des 17. Jahrhunderts wurde Horn dann ein Ort, man lese und staune, der Ruhe und
des Geldadels mit wunderschönen Landhäusern und ausgedehnten Gartenanlagen,
von denen heute leider nichts mehr zu erkennen ist.
1833 gründete der lutherische Pastor Johann Hinrich Wichern,
übrigens ein Anhänger der pietistischen, mit anderen Worten, der intensivierten,
vertieften Erweckungsbewegung, in einer von Karl Sieveking zur Verfügung
gestellten Strohdachkate an der Grenze zu Hamm, das “Rauhe Haus“. Es wurde das
Rettungshaus für obdachlose Großstadtkinder.
Der alte Ort Horn, der Name bedeutet übrigens
“Vorsprung“, lag damals ungefähr
bei der heutigen Straße Bauerberg. Zum Vorort Hamburgs erhoben wurde das Dorf
dann im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und 1894, also über 40 Jahre
früher als Billstedt, der auch damals schon schönen Stadt an der Elbe
eingemeindet.
Ganz im Gegensatz zu Billstedt ist Horn auch über die
Stadtgrenzen hinaus bekannt. Begründet durch das Derby, das alljährlich
tausende von Menschen aus aller Welt anzieht. Aber natürlich auch durch den
Horner Kreisel, dem größten Kreisverkehr Hamburgs, an dem praktisch kein
Autofahrer vorbei kommt, sofern er die Stadt auf dem kürzesten Weg von
Nordosten kommend besuchen will. Zudem symbolisiert er den Anfang der A24, die
Hamburg mit Berlin verbindet.
Zu Horn gibt es aber auch noch mindestens ein Gedicht, dass
wir auf der Interetseite der Horner Geschichtswerkstatt fanden und Ihnen nicht
vorenthalten möchten:
Es
war, dass ich am Millerntor
jüngst einen Kamm aus Horn verlor.
Nicht Eppendorf, nicht Barmbek, Hamm,
oh nein, er war aus Horn der Kamm.
Ich nahm den Hintergrund aufs Korn,
wieso ist so ein Kamm aus Horn ?
Schon wollte ich nach Horn hinfahren,
da dacht ich mir, das kannst du sparen.
Ein Kamm aus Horn, so fiel mir ein,
braucht gar kein Kamm aus Horn zu sein.
Es reicht, wenn er aus Horn gemacht,
und als ich dieses dann bedacht,
da kaufte ich ganz frei von Zorn
in Wandsbek einen Kamm aus Horn.
jüngst einen Kamm aus Horn verlor.
Nicht Eppendorf, nicht Barmbek, Hamm,
oh nein, er war aus Horn der Kamm.
Ich nahm den Hintergrund aufs Korn,
wieso ist so ein Kamm aus Horn ?
Schon wollte ich nach Horn hinfahren,
da dacht ich mir, das kannst du sparen.
Ein Kamm aus Horn, so fiel mir ein,
braucht gar kein Kamm aus Horn zu sein.
Es reicht, wenn er aus Horn gemacht,
und als ich dieses dann bedacht,
da kaufte ich ganz frei von Zorn
in Wandsbek einen Kamm aus Horn.
In den beiden Stadtteilen leben derzeit rund 110.000 Menschen, wobei Billstedt allein zirka
70.000 Einwohner zählt, von denen knapp 50 Prozent einen Migrationshintergrund
aufweisen.
Für besser situierte, alteingesessene und auch neu hinzugezogene
Bewohner Hamburgs, gelten diese Stadtteile als eher nicht erstrebenswert. Mehr
als Quartiere in denen Menschen zweiter Klasse leben. Mit anderen Worten: Die
sich bessere Viertel nicht leisten können.
Das ist natürlich dummes Zeug und völlig unsinnig. Aufklärung
ist da gefragt. Aber vorsichtig! Nicht alles verraten, sonst ergeht es den
Hornern und Billstedtern so wie den St. Paulianern, die sich ihren Stadtteil
heute zum großen Teil auch nicht mehr leisten können.
Doch wie begründet sich der schlechte Ruf Billstedts und
Horns? Waren es die Behörden, die es nicht wollten oder nicht verstanden haben,
den Strom der Spätaussiedler nach dem Fall der Mauer auf ganz Hamburg zu
verteilen? Oder waren es die, die es sich einfach gemacht haben, in dem sie die
meisten Aussiedler nur in Billstedt, Hamm und Horn, Lurup oder Wilhelmsburg
ansiedelten und dadurch eine Neoghettoisierung haben entstehen lassen?
Vielleicht. Vielleicht aber haben es die Billstedter und Horner auch nur nicht
verstanden, ihre Stadtteile so zu präsentieren, wie sie sind. Nämlich durchaus
liebens- und lebenswert. Trotz aller Probleme wie zum Beispiel das
städtebauliche Erscheinungsbild und soziale Ungleichgewicht, die zum Teil sehr
verschmutzten Straßen und Wege und hohe Arbeitslosenquote. Doch diese Unannehmlichkeiten
haben Billstedt und Horn nicht allein. Von daher wäre es doch viel klüger, wenn
die Bürger mehr die positiven Seiten ihrer Stadtteile hervorheben würden, denn
davon gibt es genug. Vielen Grünflächen, die Nähe zu Boberg, die zentrale Lage,
die im Vergleich zu ganz Hamburg noch “fairen“ Mietpreise, die vielen
Kleingärten und der zum Teil sehr dörfliche Charakter, der in Kirchsteinbek
noch zu erkennen ist. Um nur einige zu nennen.
Das alles ist den Behörden bekannt, und deswegen liegt seit
2008 ein Entwicklungskonzept vor, das beschreibt, wie die beiden Stadtteile in
den nächsten zehn bis 15 Jahren an Lebensqualität gewinnen und besonders für
Familien attraktiver werden sollen. Dazu wurden Billstedt und Horn in folgende
sieben Teilgebiete geordnet, die mit Priorität bearbeitet werden. Mike Neschki
Teilgebiete:
Schiffbeker
Berg-Legiencenter-Washingtonring
Jenkelweg-Archenholzstraße
Steinfurther
Allee-Kaltenbergen
Horner
Geest
Mümmelmannsberg
Zentrum
Horn
Zentrum
Billstedt
Was bisher geschehen ist und wie die Zukunft der Teilgebiete
aussehen wird, können Sie in den weiteren Folgen über die Quartiere lesen.
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