
Die Frage, ob es sinnvoll ist, einen überzeugten Atheisten über die Kirche und damit über Gläubige berichten zu lassen, ist berechtigt. Vielleicht. Schließlich wird man ja nicht grundlos Nichtgläubig. Denn scheinbar Gottesfürchtige und Kirchfromme führen seit Geden-ken Kriege, verrichteten im Mittelalter Greueltaten unter dem blutdurchtränkten Deckmantel der Kirche und schickten später unter anderem Selbstmordattentäter mit Flugzeugen los, um Hochhäuser zum einstürzen zu bringen. In allen Fällen waren sie nicht nur bereit, zigtausende von Menschen zu opfern, es war gewollt, so viel Menschen wie möglich sterben zu lassen.
Da
all das aber unseres Erachtens nichts mehr mit Glauben oder Nichtglauben zu tun
hat und schon gar nichts mit sozialem Engagement, sondern die Vorfälle damals
wie heute vielmehr ein gesellschaftspolitisches Problem sind, erübrigt sich die
Frage, ob es sinnvoll ist oder nicht. Und deswegen ist es sogar ganz gut, dass
in diesem Falle mal ein Nichtgläubiger über Kirchen berichtet. Dass sich unter
dieser Rubrik auch Journalisten tummeln, die genauso glauben dürfen was sie
wollen, selbst wenn sie nicht immer alles glauben wollen was sie sehen, ist
nicht zu vermeiden. Unabhängig ihrer Einstellung aber sollten sie darüber
objektiv berichten können. Und genau dazu traf ich mich mit Stephan Aust, dem
Pastor der “Kirche ohne Turm“ in Billstedt. Und der erklärte mir gleich, nachdem
er erfuhr, dass ihm ein Nichtgläubiger gegenüber sitzt, dass auch Atheisten
Gläubige seien. Denn, dass es keinen Gott gibt, glauben diese schließlich auch
nur.
Warum
sind Sie gerade Pastor einer Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde geworden?
Stephan
Aust: Das war eher Zufall gewesen, aber
die Art und Weise, wie die Kirche ihre Jünger tauft, hatte mich schon immer
fasziniert.
Natürlich
war Stephan Aust klar, dass der
Begriff Baptist aus dem griechischen “Baptizien“ kommt und Taufe bedeutet. Aber
auch die Tatsache, dass sie die Menschen nicht gegen ihren Willen taufen, hat
ihn überzeugt. Denn erst wenn der zu Taufende aus voller Überzeugung sagt,
dass er getauft werden möchte, wird die Zeremonie vollzogen. Und diese
Prozedur kann auch schon mal in einem See stattfinden.
Übrigens
wurde die erste baptistische Taufe 1834 in der Elbe von dem aus Varel
stammenden Hamburger Kaufmann Johann Gerhard Oncken durchgeführt. „Dass mit
viel Wasser getauft wird, symbolisiert übrigens, dass der Mensch sein altes
Leben darin lässt und praktisch neu beginnt,“ erklärte mir Stephan Aust, der
schon seit 1999 Pastor der evangelischen Freikirche ohne Turm in Billstedt ist.
Der
gelernte Elektriker, der in der ehemaligen DDR kein Abitur machen durfte, weil
er Christ war und erst auf dem zweiten Bil-dungsweg Theologie und
Sozialpädagogik studierte, glaubt, dass ihn Gott gerufen hat und dass dies der
Grund war, weshalb er Pastor wurde.
Weshalb
sollte jeder an Gott glauben?
Stephan
Aust: Jeder Mensch glaubt an irgendetwas.
Warum also nicht an Gott?
Wie
kompliziert doch Fragen sein können und wie einfach die Antworten.
Stephan
Aust: Nichts!!!! Aber der Glaube ist
manipulierbar weil der Mensch
manipulierbar ist. Leider! Von daher wird es wohl immer wieder Glaubenskriege
geben. Die sogenannten Glaubenskriege haben aber meiner Meinung nach nichts mit
Christentum zu tun.
Und
wie gehen Sie mit Ungläubigen um?
Stephan
Aust: Ich hatte es anfänglich schon
gesagt. Jeder glaubt an irgendetwas. Aber die, die meinen ungläubig sein zu
müssen, sind meines Erachtens nur Verlorene, nach denen Gott auf der Suche ist.
Da
man nicht immer alles kommentieren muss, nahm ich diesen Satz einfach zur
Kenntnis und stellte die nächste Frage:
Haben
Sie selbst schon mal an Gott gezweifelt?
Stephan
Aust: Das Leben besteht aus Glauben und
Zweifel. Ich lebe tatsächlich auch mit Zweifel, weil mir jeden Tag die
Ungerechtigkeit vor Augen geführt wird. Als Pastor aber habe ich dafür zu
sorgen, dass der Glaube größer ist als der Zweifel – bei mir und meiner
Gemeinde.
Wie
stehen Sie zur Verhütung und Abtreibung?
Stephan
Aust: Abtreibung grund-sätzlich nein,
Verhütung ja. Wichtig ist, dass sich beide Partner immer der Verantwortung
bewusst sind. Wenn das der Fall ist, stellt sich die Frage nicht, aber Liebe
und Sex sollten grundsätzlich getrennt werden. Das natürlich nicht bedeuten
soll, dass Sex und Liebe nicht auch zusammen gehören.
Was
halten Sie von der Ehe?
Stephan
Aust: Ich bin ein großer Fan der Ehe. Sie
ist bedeutsam und Fundment für die Gesellschaft.
Und
was halten Sie von Mischehen?
Stephan
Aust: Gott liebt alle Menschen, von daher
ist es egal, ob schwarz, rot oder gelb sich mit weiß mischt. Hauptsache sie
führen eine gute Ehe und die Ausstrahlung als Paar ist positiv.
Gibt
es Migranten in ihrer Kirche und können Menschen, egal welchen Glauben sie
haben, zu Ihnen kommen?
Stephan
Aust: Wir haben Migran-ten aus Birma und
Russland, da allerdings eher die ältere Genera-tion. In der Regel suchen Migranten
aber die passende Kirche für sich. Natürlich sind Menschen aller
Glaubensrichtungen willkommen.
Was
für Leute kommen zu Ihnen in die Kirche?
Stephan
Aust: Viele junge Familien, aber natürlich
auch ältere. Zu unserem Gottesdienst kommen Woche für Woche gut 100 Menschen
und darunter sind bestimmt 30 bis 40 Kinder aller Altersgruppen, für die
parallel zum Gottesdienst eine Kinderkirche stattfindet.
Ist
es möglich, sich auch als Nichtgläubiger in der Kirche ohne Turm zu engagieren?
Stephan
Aust: Selbstverständlich. Unsere Gemeinde
gibt den Men-schen einen Rahmen, in dem sie sich engagieren können. Zum
Bei-spiel in sozialen Projekten oder in den unterschiedlichen Aktivitäten der
Gemeindearbeit.
Das
bringt uns zu der Frage, warum sie statt der bekannten Kirchenmusik während des
Gottes-dienst zeitgemäße Musik spielen lassen?
Stephan
Aust: Die Formen ent-wickeln sich aus den
Werten her-aus, sie entwickeln sozusagen ein Eigenleben aus Wünschen und
Bedürfnissen. Bei uns gibt es zum Beispiel auch keine Kirchenbücher mehr.
Unsere Texte werden mit dem Beamer an die Wand proje-ziert. Und unser einfaches
trans-portables Holzkreuz hat auch kei-nen in Stein gemeißelten Platz am Altar,
sondern wird dahin gestellt, wo es den Charakter der kirchlichen Feier am
besten fördert.
Herr
Aust, unabhängig der Tatsache, dass es Ihnen heute nicht gelungen ist, einen
Nichtgläubigen zum Glauben zu bekehren, empfinden wir Ihre Kirche und das was
sie tagtäglich tun, als äußerst positiv. Wir wünschen Ihnen weiterhin gutes
Gelingen und viel Erfolg und bedanken uns für die Gastfreundschaft und das
informative Gespräch. Aber eine Frage sei noch gestattet:
Was
halten Sie von dem Ausspruch: Je mehr ich weiß, umso weniger muss ich glauben?
Bei
dieser Frage lachte der Pastor, teilt diese Ansicht allerdings nicht, sondern
meinte, dass man darüber doch noch einmal in Ruhe reden müsste.
Was
noch interessieren könnte:
Gottesdienst,
jeden Sonntag 11:00 Uhr, jeden ersten Sonntag mit Abendmahl, danach gemeinsames
Mittagsessen.
Dienstags
Jungenhauskreis.
Jeden
zweiten Mittwoch Seniorenkaffee.
Ab
20 Uhr Frauentreff, allerdings nach Absprache.
Donnerstags
am Nachmittag Frauenhauskreis
Freitags
findet am Nachmittag die „Next Generation“ statt. Action, Fun und Tiefgang. Ab
18:30 Uhr dann der Jungenhauskreis. Am besten informiert man sich unter
www.kirche-ohne-turm.de oder
direkt vor Ort Möllner Landstraße 189
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