Donnerstag, 13. Oktober 2011

Fragen an die Kirche



Die Frage, ob es sinnvoll ist, einen überzeugten Atheisten über die Kirche und damit über Gläubige berichten zu lassen, ist  berechtigt. Vielleicht. Schließlich wird man ja nicht grundlos Nichtgläubig. Denn scheinbar Gottesfürchtige und Kirch­fromme führen seit Geden-ken Kriege, verrichteten im Mittelalter Greueltaten unter dem blutdurchtränkten Deckmantel der Kirche und schickten später unter anderem Selbstmordattentäter mit Flugzeugen los, um Hochhäuser zum einstürzen zu bringen. In allen Fällen waren sie nicht nur bereit, zigtausende von Menschen zu opfern, es war gewollt, so viel Menschen wie möglich sterben zu lassen.

Da all das aber unseres Erachtens nichts mehr mit Glauben oder Nichtglauben zu tun hat und schon gar nichts mit sozialem Engagement, sondern die Vorfälle damals wie heute vielmehr ein gesellschaftspolitisches Problem sind, erübrigt sich die Frage, ob es sinnvoll ist oder nicht. Und des­wegen ist es sogar ganz gut, dass in diesem Falle mal ein Nicht­gläubiger über Kirchen berichtet. Dass sich unter dieser Rubrik auch Journalisten tummeln, die genauso glauben dürfen was sie wollen, selbst wenn sie nicht immer alles glauben wollen was sie sehen, ist nicht zu ver­meiden. Unabhängig ihrer Ein­stellung aber sollten sie darüber objektiv berichten können. Und genau dazu traf ich mich mit Stephan Aust, dem Pastor der “Kirche ohne Turm“ in Billstedt. Und der erklärte mir gleich, nach­dem er erfuhr, dass ihm ein Nichtgläubi­ger gegenüber sitzt, dass auch Atheisten Gläubige seien. Denn, dass es keinen Gott gibt, glauben diese schließlich auch nur.

Doch ob es einen Gott gibt oder nicht, trifft für Pastor Stephan Aust überhaupt nicht den Kern des Glaubens. Der Kern ist die persön­liche Erfahrung, die mit Jesus Christus verbunden ist. Seine Ant­wort auf meine Frage, wer denn eigentlich Gott sei, erwiderte er mit: „Gott ist nur ein Begriff für das, was Größer ist als man selbst.“ Die Antwort fand ich gut und von daher waren weitere Fragen nicht nur geplant sondern unabdingbar.

Wa­rum sind Sie gerade Pastor einer Evangelisch-Freikirchlichen Ge­mein­­de geworden?
Stephan Aust: Das war eher Zu­fall gewesen, aber die Art und Weise, wie die Kirche ihre Jünger tauft, hatte mich schon immer fasziniert.

Natürlich war Stephan Aust klar,  dass der Begriff Baptist aus dem griechischen “Baptizien“ kommt und Taufe bedeutet. Aber auch die Tatsache, dass sie die Menschen nicht gegen ihren Willen taufen, hat ihn überzeugt. Denn erst wenn der zu Taufende aus voller Über­zeu­gung sagt, dass er getauft wer­den möchte, wird die Zere­mo­nie vollzogen. Und diese Prozedur kann auch schon mal in einem See stattfinden.

Übrigens wurde die erste baptistische Taufe 1834 in der Elbe von dem aus Varel stammenden Hamburger Kaufmann Johann Gerhard Oncken durchgeführt. „Dass mit viel Wasser getauft wird, symbolisiert übrigens, dass der Mensch sein altes Leben darin lässt und praktisch neu beginnt,“ erklärte mir Stephan Aust, der schon seit 1999 Pastor der evangelischen Freikirche ohne Turm in Billstedt ist.

Der gelernte Elektriker, der in der ehemaligen DDR kein Abitur machen durfte, weil er Christ war und erst auf dem zweiten Bil-dungsweg Theologie und Sozialpädagogik studierte, glaubt, dass ihn Gott gerufen hat und dass dies der Grund war, weshalb er Pastor wurde.

Weshalb sollte jeder an Gott glauben?
Stephan Aust: Jeder Mensch glaubt an irgendetwas. Warum also nicht an Gott?

Wie kompliziert doch Fragen sein können und wie einfach die Antworten.

Ich habe mir immer die Frage gestellt, worin für Gläubige eigentlich der Sinn des Krieges und damit des Tötens besteht? Eine plausible Erklärung habe ich diesbezüglich allerdings noch kei-ne bekommen. Niedere Beweg-grü­nde wie beispielsweise Geld, Gier und Macht können es ja nicht sein. Deshalb meine Frage: Was halten Sie von Glaubenskriegen?
Stephan Aust: Nichts!!!! Aber der Glaube ist manipulierbar weil der  Mensch manipulierbar ist. Leider! Von daher wird es wohl immer wieder Glaubenskriege geben. Die sogenannten Glaubenskriege haben aber meiner Meinung nach nichts mit Christentum zu tun.

Und wie gehen Sie mit Ungläubigen um?
Stephan Aust: Ich hatte es an­fäng­lich schon gesagt. Jeder glaubt an irgendetwas. Aber die, die meinen ungläubig sein zu müssen, sind meines Erachtens nur Verlorene, nach denen Gott auf der Suche ist.

Da man nicht immer alles kom­mentieren muss, nahm ich diesen Satz einfach zur Kenntnis und stellte die nächste Frage:

Haben Sie selbst schon mal an Gott gezweifelt?
Stephan Aust: Das Leben besteht aus Glauben und Zweifel. Ich lebe tatsächlich auch mit Zweifel, weil mir jeden Tag die Ungerechtigkeit vor Augen geführt wird. Als Pastor aber habe ich dafür zu sorgen, dass der Glaube größer ist als der Zweifel – bei mir und meiner Gemeinde.

Wie stehen Sie zur Verhütung und Abtreibung?
Stephan Aust: Abtreibung grund-sätzlich nein, Verhütung ja. Wichtig ist, dass sich beide Partner immer der Verantwortung bewusst sind. Wenn das der Fall ist, stellt sich die Frage nicht, aber Liebe und Sex sollten grundsätzlich ge­trennt werden. Das natürlich nicht bedeuten soll, dass Sex und Liebe nicht auch zusammen gehören.

Was halten Sie von der Ehe?
Stephan Aust: Ich bin ein großer Fan der Ehe. Sie ist bedeutsam und Fundment für die Gesellschaft.

Und was halten Sie von Mischehen?
Stephan Aust: Gott liebt alle Menschen, von daher ist es egal, ob schwarz, rot oder gelb sich mit weiß mischt. Hauptsache sie führen eine gute Ehe und die Aus­strahlung als Paar ist positiv.

Gibt es Migranten in ihrer Kirche und können Menschen, egal welchen Glauben sie haben, zu Ihnen kommen?
Stephan Aust: Wir haben Migran-ten aus Birma und Russland, da allerdings eher die ältere Genera-tion. In der Regel suchen Migran­ten aber die passende Kir­che für sich. Natürlich sind Menschen aller Glaubensrichtungen will­kommen.

Was für Leute kommen zu Ihnen in die Kirche?
Stephan Aust: Viele junge Familien, aber natürlich auch ältere. Zu unserem Gottesdienst kommen Woche für Woche gut 100 Menschen und darunter sind bestimmt 30 bis 40 Kinder aller Altersgruppen, für die parallel zum Gottesdienst eine Kinderkirche statt­findet.

Ist es möglich, sich auch als Nichtgläubiger in der Kirche ohne Turm zu engagieren?
Stephan Aust: Selbstverständlich. Unsere Gemeinde gibt den Men-schen einen Rahmen, in dem sie sich engagieren können. Zum Bei-spiel in sozialen Projekten oder in den unterschiedlichen Aktivitäten der Gemeindearbeit.

Das bringt uns zu der Frage, warum sie statt der bekannten Kirchenmusik während des Gottes-dienst zeitgemäße Musik spielen lassen?
Stephan Aust: Die Formen ent-wickeln sich aus den Werten her-aus, sie entwickeln sozusagen ein Eigenleben aus Wünschen und Bedürfnissen. Bei uns gibt es zum Beispiel auch keine Kirchenbücher mehr. Unsere Texte werden mit dem Beamer an die Wand proje-ziert. Und unser einfaches trans-portables Holzkreuz hat auch kei-nen in Stein gemeißelten Platz am Altar, sondern wird dahin gestellt, wo es den Charakter der kirch­lichen Feier am besten fördert.

Herr Aust, unabhängig der Tat­sache, dass es Ihnen heute nicht gelun­gen ist, einen Nichtgläubigen zum Glauben zu bekehren, empfinden wir Ihre Kirche und das was sie tagtäglich tun, als äußerst positiv. Wir wünschen Ihnen wei­ter­hin gutes Gelingen und viel Erfolg und bedanken uns für die Gastfreund­schaft und das informa­tive Ge­spräch. Aber eine Frage sei noch gestattet:
Was halten Sie von dem Ausspruch: Je mehr ich weiß, umso weniger muss ich glauben?
Bei dieser Frage lachte der Pastor, teilt diese Ansicht allerdings nicht, sondern meinte, dass man darüber doch noch einmal in Ruhe reden müsste.

Was noch interessieren könnte:

Gottesdienst, jeden Sonntag 11:00 Uhr, jeden ersten Sonntag mit Abendmahl, danach gemeinsames Mittagsessen.
Dienstags Jungenhauskreis.
Jeden zweiten Mittwoch Seniorenkaffee.
Ab 20 Uhr Frauentreff, allerdings nach Absprache.
Donnerstags am Nachmittag Frauenhauskreis
Freitags findet am Nachmittag die „Next Generation“ statt. Action, Fun und Tiefgang. Ab 18:30 Uhr dann der Jungenhauskreis. Am besten informiert man sich unter
www.kirche-ohne-turm.de oder direkt vor Ort Möllner Landstraße 189

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