Freitag, 21. September 2012

Billstedt braucht keine neuen Spielhallen


Dass es in den Hallen düster ist und sich der Gewinn für die Spieler eher im Promillebereich jeglich investierter Summen bewegt, ist von den Betreibern aller Spielhöllen gewollt. Sicher. Dass die Akteure oder wie der Volksmund so sagt, die Zocker, es selbst nicht bemerken, verwundert. Denn jedem einigermaßen klar denkenden Menschen, der mit aller Macht versucht sein Geld in den Dattelhallen zu vermehren, muss es sich doch spätestens Mitte eines jeden Monats erschlossen haben, dass zwischen seinem investierten und dem gewonnenen “nervus rerum“ eine meist unüberschaubare Diskrepanz liegt.


Obwohl die GAL in Billstedt schon 2010 den Antrag stellte, Spielhallen zu verbieten, hat sich, laut Welt-Online, unter jungen Männern der Anteil der Automatenspieler mehr als verdoppelt. Über drei Milliarden Euro werden Jahr für Jahr an mehr als 200.000 Glücksspielautomaten mit Geldgewinnfunktion verspielt. Die Daddelhalle verwandelte sich also vom ehemaligen Schmuddelkind zum Dukatenesel. Allerdings nur für die Betreiber und Vermieter der Immobilien.  Dass diese unter anderem auch für den schlechten Ruf Billstedts sorgen, ist ihnen egal. Hauptsache die Taschen sind voll und zwar mit dem Geld derer, die sowieso wenig haben.

Rund 50 Zockerbuden gibt es mittlerweile in Billstedt, schätzte Michael Osterburg, GAL-Fraktionschef im Bezirk Hamburg-Mitte. „Die sind damals wie heute aus dem Boden geschossen wie Pilze,“ berichtete er uns. „Die sorgen für einen schlechten Ruf und schrecken neue seriöse Investoren und Gewerbetreibende ab.“

Nun aber ist Schluss mit Lustig. Der viel beklagte “Wildwuchs“ neuer Spielhallen im Bezirk, insbesondere in den Stadtteilen St. Pauli, St.Georg und Billstedt, wird bald ein Ende haben. So hoffte man, nachdem sich auch die SPD entschloss, diesbezüglich tätig zu werden. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hatte auf Grund der Initiative einen Antrag beschlossen, der die für den Bezirk wichtigen Eckpunkte festlegte. Der von der Bürgerschaftsfraktion ausgearbeitete Spielhallengesetzentwurf fällt in Teilen sogar noch deutlich restriktiver ausfällt, als die Spielhallengesetze in Berlin und Bremen. Denn: „Spielsucht ist ein Thema, das nicht unterschätzt werden darf“, äußérte die St. Paulianer Bezirksabgeordnete Henriette von Enckevort, „gerade auf St. Pauli bekommt man hier viel mit.“

Aus kommunalpolitischer Sicht sind neben dem Spielerschutz insbesondere auch die stadtbildrelevanten Folgen der neuen Regelungen interessant. „Der Gesetzentwurf sieht einen Mindestabstand von 500 m zwischen zwei Spielhallenstandorten vor. Gleichzeitig gibt es Befristungsregelungen für bestehende Spielhallen, so dass Trading-Down-Effekte ab sofort begrenzt werden und in fünf Jahren sogar eine positive Rückentwicklung belasteter Straßenzüge, beispielsweise der Billstedter Hauptstraße, möglich ist,“ meinte Kerstin Gröhn, Bezirksabgeordnete aus Billstedt und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD in Hamburg-Mitte.

Doch dummerweise ist die Rechnung ohne den Wirt erstellt worden. Gerade jetzt wurde die Baugenehmigt für die größte Spielhalle Hamburgs in der Möllner Landstraße, Ecke Letternkamp erteilt. Ein Skandal! Die Verhandlungen mit dem Investor und die Planungen für dieses Projekt fanden alle unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. „Hallo Billstedt“ hat über die Fraktion der Grünen eine Anfrage gestellt, um das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. „Wir rechnen Mitte der kommenden Woche mit einer Antwort,“ erklärt Uwe Böhm, Billstedter Liedermacher und einer der Initiatoren von HalloBillstedt. „Dafür lohnt es sich doch glatt auf die Straße zu gehen,“ so Böhm weiter. „Um dem Bauherrn und Betreiber der neuen Spielhalle zu zeigen, dass Billstedter Bürger weitere Spielhallen weder benötigen noch wollen.“ “Hallo Billstedt“ wird die von den Grünen geplante Veranstaltung am 23. Oktober 2012 zu diesem Thema unterstützen. „Wir versuchen damit, den Widerstand gegen das geplante Projekt aufzubauen und unsere Empörung über fantasievolle Aktionen auf die Straße zu bringen. Nur über den Druck, den wir gemeinsam aufbauen, haben wir eine Chance, das Projekt Spielhalle zu verhindern. Billstedt darf nicht der Stadtteil von Wettbüros und Spielhallen sein! Billstedt braucht ein vernünftiges Wirtschaftsentwicklungskonzept.“

Wie schön wäre es doch gewesen, wenn der Gesetzentwurf als Beschluss mit folgenden Worten auf den Weg gebracht worden wäre: In fünf Jahren ist Schluss mit den Spielhallen in Billstedt, weil es keine Verlängerung von Konzessionen gibt, und damit auch keinen Rauschgifthandel mehr, der, so die Vermutung, merkwürdigerweise in den düsteren Hallen so herrlich blüht. Neschki/Böhm

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