Einen „Dummkopf" nennt Karl Lagerfeld Frankreichs
Präsidenten François Hollande, Sarkozy-Minister Bertrand attestiert ihm „sowjetische"
Züge. Der Grund: Hollande löst sein spektakuläres Wahlversprechen ein, die
75-Prozent-Steuer auf Supereinkommen.
Die Kritiker bemühten ein reiches Vokabular: „Sowjetisch“
nannte der frühere Sarkozy-Minister Xavier Bertrand die Steuer auf
Jahreseinkommen von mehr als einer Million Euro, „Strafsteuer“ schalt sie
Ex-Budgetminister Eric Woerth. Und Modeschöpfer Karl Lagerfeld nennt den
Urheber der Steuer gar einen „Dummkopf“.
Der Urheber der Steuer, Präsident François Hollande, kann
damit leben. Er hat sein spektakulärsten Wahlversprechen eingelöst: In der
Nacht auf Samstag verabschiedete die Nationalversammlung mit den Stimmen der
Parti Socialiste die „außergewöhnliche“ 75-Prozent-Steuer auf Supereinkommen.
Die Zustimmung des von linken Parteien dominierten Senats dürfte nur noch
Formsache sein.
Außergewöhnlich ist die neue Steuerklasse deshalb, weil sie
nur zwei Jahre gelten soll – bis Frankreich aus der Wirtschaftskrise gekommen
sei, wie der sozialistische Budgetminister Jérôme Cahuzac zur Begründung dieser
Frist erklärte. Zwei Jahre, das sei die Zeit, um Frankreich wieder „auf die
Beine zu stellen“, fügte der Minister an. „Jeder muss einen Beitrag gemäß
seinen Kräften und Mitteln leisten“, meinte er als Echo auf Hollandes
Wahlkampfaussage: „Es ist ein Akt des Patriotismus, zusätzliche Steuern zu
zahlen, um das Land wieder aufzurichten.“
Die Opposition der Sarkozy-Partei UMP erhob heftigen Einspruch:
Die Sozialisten hätten schon frühere Steuern, etwa die Sozialabgabe CSG, bei
der Einführung als „vorübergehend“ bezeichnet, dies dann aber bald wieder
vergessen. Es sei unlogisch, mit einer symbolischen Steuer – sie betrifft nur
1500 Großverdiener – ein Land aus der Krise ziehen zu wollen. Im Gegenteil
werde die Abgabe nur 210 Millionen Euro im Jahr einbringen, aber viele Reiche
zum Verlassen des Landes bewegen, sagte der konservative Politiker Woerth. Und
das seien die kreativsten Köpfe des Landes. Denn die Superverdiener von heute
seien nicht unbedingt Spekulanten, sondern risikofreudige Unternehmer der Neuen
Technologien.
In den Meinungsumfragen halten trotzdem 61 Prozent der
befragten Franzosen die Steuer für „gerechtfertigt“, ja „gerecht“. Das Argument
der Kapitalflucht hören die Franzosen schon zu lange, als dass sie ihm noch
glauben würden: Keiner der zahlreichen in Paris erschienenen Behördenberichte
zu diesem Thema konnte je einen klaren Zusammenhang zwischen Kapitalabfluss und
einer konkreten Steuererhöhung nachweisen.
Was den Franzosen eher einleuchtet, ist der Umstand, dass
sich die Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich vertausendfacht haben,
wenn man die heutige Lage mit den Verhältnissen im industriellen 19.
Jahrhundert vergleicht. Das war für den sozialistischen Budgetexperten
Christian Eckert in der Debatte denn auch das schlagende Argument: „Wir wollen,
dass die Praxis dieser unsinnig hohen Supereinkommen aufhört.“ Und für einmal
belasse es eine Regierung nicht bei schönen Worten, sondern sie schreite zur
Tat.
Damit punktet vor allem der neue Präsident Hollande, der
sein eigenes Salär gleich nach seinem Amtsantritt um 30 Prozent gesenkt hatte. Stefan Brändle
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