Dienstag, 23. Oktober 2012

Zahltag für reiche Franzosen (FAZ)


Einen „Dummkopf" nennt Karl Lagerfeld Frankreichs Präsidenten François Hollande, Sarkozy-Minister Bertrand attestiert ihm „sowjetische" Züge. Der Grund: Hollande löst sein spektakuläres Wahlversprechen ein, die 75-Prozent-Steuer auf Supereinkommen.


Die Kritiker bemühten ein reiches Vokabular: „Sowjetisch“ nannte der frühere Sarkozy-Minister Xavier Bertrand die Steuer auf Jahreseinkommen von mehr als einer Million Euro, „Strafsteuer“ schalt sie Ex-Budgetminister Eric Woerth. Und Modeschöpfer Karl Lagerfeld nennt den Urheber der Steuer gar einen „Dummkopf“.

Der Urheber der Steuer, Präsident François Hollande, kann damit leben. Er hat sein spektakulärsten Wahlversprechen eingelöst: In der Nacht auf Samstag verabschiedete die Nationalversammlung mit den Stimmen der Parti Socialiste die „außergewöhnliche“ 75-Prozent-Steuer auf Supereinkommen. Die Zustimmung des von linken Parteien dominierten Senats dürfte nur noch Formsache sein.

Außergewöhnlich ist die neue Steuerklasse deshalb, weil sie nur zwei Jahre gelten soll – bis Frankreich aus der Wirtschaftskrise gekommen sei, wie der sozialistische Budgetminister Jérôme Cahuzac zur Begründung dieser Frist erklärte. Zwei Jahre, das sei die Zeit, um Frankreich wieder „auf die Beine zu stellen“, fügte der Minister an. „Jeder muss einen Beitrag gemäß seinen Kräften und Mitteln leisten“, meinte er als Echo auf Hollandes Wahlkampfaussage: „Es ist ein Akt des Patriotismus, zusätzliche Steuern zu zahlen, um das Land wieder aufzurichten.“

Die Opposition der Sarkozy-Partei UMP erhob heftigen Einspruch: Die Sozialisten hätten schon frühere Steuern, etwa die Sozialabgabe CSG, bei der Einführung als „vorübergehend“ bezeichnet, dies dann aber bald wieder vergessen. Es sei unlogisch, mit einer symbolischen Steuer – sie betrifft nur 1500 Großverdiener – ein Land aus der Krise ziehen zu wollen. Im Gegenteil werde die Abgabe nur 210 Millionen Euro im Jahr einbringen, aber viele Reiche zum Verlassen des Landes bewegen, sagte der konservative Politiker Woerth. Und das seien die kreativsten Köpfe des Landes. Denn die Superverdiener von heute seien nicht unbedingt Spekulanten, sondern risikofreudige Unternehmer der Neuen Technologien.

In den Meinungsumfragen halten trotzdem 61 Prozent der befragten Franzosen die Steuer für „gerechtfertigt“, ja „gerecht“. Das Argument der Kapitalflucht hören die Franzosen schon zu lange, als dass sie ihm noch glauben würden: Keiner der zahlreichen in Paris erschienenen Behördenberichte zu diesem Thema konnte je einen klaren Zusammenhang zwischen Kapitalabfluss und einer konkreten Steuererhöhung nachweisen.

Was den Franzosen eher einleuchtet, ist der Umstand, dass sich die Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich vertausendfacht haben, wenn man die heutige Lage mit den Verhältnissen im industriellen 19. Jahrhundert vergleicht. Das war für den sozialistischen Budgetexperten Christian Eckert in der Debatte denn auch das schlagende Argument: „Wir wollen, dass die Praxis dieser unsinnig hohen Supereinkommen aufhört.“ Und für einmal belasse es eine Regierung nicht bei schönen Worten, sondern sie schreite zur Tat.

Damit punktet vor allem der neue Präsident Hollande, der sein eigenes Salär gleich nach seinem Amtsantritt um 30 Prozent gesenkt hatte. Stefan Brändle 

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