Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, kurz BASFI, hat beschlossen, dass auf der Fläche der alten Schule am Oststeinbeker Weg, 69 Asylsuchende und wohnungslose Menschen untergebracht werden. Das Hamburger Wochenblatt berichtete.
Die Anrainer können es kaum glauben und für sie ist eine
Katastrophe, so jedenfalls der Tenor der direkt „Betroffenen“. „Die
Grundstückspreise fallen, die Kriminalität wird steigen und der Ruf des Stadtteils wird sich weiter
verschlechtern,“ klagten sie ihr Leid auf der letzten Regionalausschusssitzung,
um nach den Bekundungen sämtlicher Parteien – „Natürlich will niemand weitere
Asylbewerber und Wohnungslose in Billstedt und schon gar nicht auf diesem
Gelände, aber es gibt keine andere Möglichkeit – geschlossen die Räumlichkeiten
zu verlassen, bevor andere Themen des Abends angesprochen wurden.
Eine Woche später organisierten dieselben Anwohner eine
Informationsveranstaltung in der AWO Merkenstrasse, zu der rund 150 Leute
kamen, ortsansässige Politiker aber weitestgehend unsichtbar blieben.
Michael Fröhlich, einer der Initiatoren dieser Veranstaltung, war selbst etwas
überrascht, moderierte den Abend, trotz einiger unqualifizierter Zwischenrufe,
wie: „Die haben hier nichts zu suchen!“ oder: „Selbst die Polizei weiß von
nichts!“ trotzdem relativ souverän. Auffallend war, dass fast ausschließlich
nur von Asylsuchenden gesprochen wurde und mit keinem Wort Wohnungslose
Erwähnung fanden.
Das primäre Problem der Anwohner ist, dass es verschiedene
Aussagen seitens einiger Bezirkspolitiker gibt, die den Menschen zeigen, dass
eigentlich keiner von denen genau Bescheid weiß. Einmal ist öffentlich die
Rede von zwei Jahren (Andy Grote), zu denen nachträglich ein „zirka“ gesetzt
werden sollte, um dann ein paar Tage später zu erfahren, dass Staatsrat Jan
Pörksen schon am 27. November 2012 an den Vorsitzenden der Bezirksversammlung
Hamburg-Mitte schrieb: „Der Bezirk Hamburg Mitte bzw. Schulbau haben
kurzfristig keine Nutzung vorgesehen. Das Objekt kann für fünf Jahre als
Zwischennutzung zur Verfügung gestellt werden. Vor diesem Hintergrund plant
die BASFI eine Zwischennutzung des Haupt- und Verwaltungsgebäudes für fünf
Jahre.“
Nachdem sich mittlerweile in jedem Hinterzimmer der
Politik herumgesprochen hat, dass Billstedter Bürger sich nicht alles
gefallen lassen, wurde auch die Billstedter FDP-Vorsitzende, Martina Kaesbach,
Mitglied der Hamburger Bürgerschaft, tätig, indem sie an den Senat eine
schriftliche kleine Anfrage stellte, in der unter anderem um Antwort gebeten
wird, in welchem Umfang die Anwohner vor Ort in die Pläne des Senats, die Kapazitäten
der öffentlichen Unterbringung im Bezirk Hamburg-Mitte zu erhöhen, eingebunden
wurden.
Fakt ist, dass Asylsuchende und Wohnungslose
menschenwürdig untergebracht werden müssen. Wo ist eigentlich egal. Das
„Wie“ ist entscheidend. Dabei stellt sich den meisten Billstedter Bürgern die
Frage: Warum nicht auch mal in anderen Stadtteilen, die bisher noch nie
Asylsuchende oder Wohnungslose aufgenommen haben? Davon gibt es nämlich
genug. Denn ob die alte Schule wirklich geeignet ist, 69 Bewohner
menschenwürdig unterzubringen, ist noch gar nicht geklärt. „Was ist denn,
wenn die Gebäude Asbestverseucht sind oder die seit acht Jahren unbenutzten
sanitären Anlagen doch nicht mehr funktionieren?“ fragte ein Anwohner. „Dann
würden nicht nur die Sanierungskosten steigen, sondern hinterher auch noch
eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufgestellt, die dann aussagen wird, dass noch
weitere Jahre dort Asylsuchende untergebracht werden müssen. Sonst rechnet es
sich nicht!“ Der Vorschlag aber, wie ihn die Grünen äußerten, alle in einem
Hochhaus unterzubringen, kann auch nicht wirklich Ernst gemeint sein. So
jedenfalls einige vernünftige Stimmen während der Informationsveranstaltung,
auf der dann der Gegenvorschlag nicht lange auf sich Warten lies. Wenn jeder Stadtteil
zehn bis 15 Menschen aufnimmt, zum Beispiel in betreutes Wohnen, dann wäre
das nicht nur ein wunderbares solidarisches Zeichen und würde keinen
Stadtteil wirklich belasten, sondern die Flüchtlinge, die ihr Land ganz
sicher nicht freiwillig verlassen haben, würden hier wieder zu einem normalen
Leben finden und glücklich werden. Darüber sollten die Politiker ernsthaft
nachdenken.
Jetzt aber müssen wahrscheinlich alle Billstedter Bürger,
vor allem aber die Anrainer, nicht nur ihren Frust nicht auf den Schultern der
Flüchtlingen austragen, sondern möglichst das Beste daraus machen und helfen,
dass die Asylsuchenden, sofern sie denn in Deutschland bleiben dürfen, in den
nächsten Jahren würdig integriert werden. Das hätte Stil und würde den
Stadtteil ganz weit nach vorne bringen. Auch wenn es einige nicht glauben
wollen.
Sie sprechen von Integration und vergessen, dass die Ballung von sozial Schwachen in einem Gebiet zur Chancenungleichheit eben für diese Menschen führt. Das zeigt die Statistik für jede Großstadt. Ich selbst habe von sozialer Durchmischung sehr profitiert und bin froh darüber. Auch wenn ich manches mal neidisch und wütend auf die Ungerechtigkeit war, dass andere ihre neuen Sachen zur Schau trugen und keine Überlegungen anstellen mussten, wie sie z.B. ihren Führerschein finanzieren. Von dem mangelnden Interesse meiner Eltern an Bildung ganz zu schweigen. Mein Schulabschluss wurde mit demonstrativem Desinteresse quitiert. Sie spielen denjenigen gesellschaftlichen Gruppen in die Hände, die sich wirklich von der erforderlichen Solidarität frei machen. Wer freiwillig mit seinen Kindern in einen Stadtteil mit fast 50 % Migrationshintergrund zieht, hat wohl kaum etwas gegen Ausländer. Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Die Menschen, die sich der Verantwortung entziehen, wohnen tendenziell nicht nicht in Billstedt. Und in der öffentlichen Meinung wird Billstedt für seine Integrationsleistungen auch nicht gewürdigt, sondern gemieden und von nicht wenigen herabgewürdigt. Wir sind derzeit an 2. Stelle derjenigen Stadtteile, in denen Hamburger nicht wohnen wollen. Unsere Integrationsbemühungen bringen uns eben nicht nach vorne, wenn über Jahrzehnte durch verfehlte Sozialpolitik die Integrationsfähigkeit des Stadtteils systematisch überfordert wird. Jeder der hier betroffenen Anwohner lebt damit, dass man für seine Wohnortwahl Unverständnis erntet. Trotzdem sagt jeder hier, Billstedt ist viel besser, als wie es dargestellt wird. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Bürger in sogenannten angesehenen Stadtteilen ganz froh sind, dass die Integrationsaufgaben zuverlässig meist dort landen, wo sie kaum noch zu leisten sind. Ich glaube nicht, dass die Anwohner, die sie hier beschimpfen zu den Gewinnern der sozialen Segregation in Hinblick auf Immobilienbesitz gehören. An die echten Gewinner trauen sie sich nicht ran, nicht wahr? Die gerechte Verteilung von Integrationsaufgaben ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und vor allem der Chancengleichheit.
AntwortenLöschenSie Reden der Ausgrenzung sozial Schwacher bzw. von Migranten das Wort das Wort, indem Sie die einseitige Ansiedlung in Billstedt befürworten. Bloß nicht nachhaltig wehren. Sollen hier etwa durch die freiwillige heldenhafte Aufnahme von Asylbewerbern z.B. 80 % Menschen mit Migartionshintergrund wohnen, die sich dann voller Stolz selbst deutsch beibringen und intgerieren? Es ist so einfach sich als Menschenfreund zu sonnen, anstatt den Kampf mit den Eliten in dieser Stadt aufzunehmen. Dazu sind Sie vermutlich zu feige. Ihre Haltung ist gegenüber eben diesen Eliten duckmäuserisch. Lieber sollen sich die Billstedter untereinander zerfleischen.
Ich kann bei Ihnen keine Analyse und keine Lösungsansätze erkennen, geschweige denn eine angemessene Interessenvertretung der Billstedter. Ich kenne bisher keinen Anwohner, der nicht die Emphatie aufbringt, sich in die die Motive der Asylbewerber und die Tragik der Lebensläufe von Obdachlosen einzufühlen. Ich war zwar nicht auf der Veranstaltung, aber wenn jemand Befürchtungen in Richtung Kriminalität hat, können Sie seine Ängste ja auch einfach mal respektieren und ihn mit guten Argumenten vom Gegenteil überzeugen. Es eine riesige Dummheit, wenn Billstedter anstatt miteinander zu reden, sich gegenseitig mit Vorurteilen und Stimmungsmache überziehen. Ich kann bei Ihnen kein höheres Niveau als bei diesem Anwohner feststellen.
Ich hoffe für Billstedt, dass sie zu einer ehrlichen und transparenten Debatte fähig sind und die Billstedter mit echten Lösungsansätzen voran bringen wollen. Ideologie hilft nicht weiter, wo andere in der Stadt Fakten nach ihrer Interessenlage schaffen. Sozial schwache Stadtteile leiden an Netzwerkarmut zur Macht. Deswegen kann man sie ganz gut benutzen. Sie scheinen da ja nicht viel gegen zu haben.
Eine Anwohnerin
Zunächst einmal: Sie werfen dem Verfasser des Artikels (M. Neschki) Feigheit vor. In meinen Augen ist es feige, dann noch nicht einmal seinen Namen zu nennen, wie Sie es tun. Er vertritt eine andere Meinung als Sie; das gibt Ihnen aber noch lange nicht das Recht, ihn anonym zu beschimpfen und zu beleidigen.
LöschenEs geht hier nicht darum, "heldenhaft" zu sein, sondern es geht um 69 Personen, die auf dem Gelände einer ehemaligen Schule untergebracht werden sollen. Es handelt sich bei diesen Personen um Flüchtlinge - und man sollte bedenken, daß niemand ohne triftigen Grund flieht. Dies sollte man immer bedenken.
Britta Everding
Herr Neschki muss sich über die Reaktion nicht wundern, wenn er einige Anwohner in herablassender Art als "Betroffene" bezeichnet und im übrigen sich auf ein moralisch hohes Ross setzt. Das tun sie ebenfalls, indem sie indirekt unterstellen, man sehe die guten Gründe der Asylbewerber nicht. Ich kann mich nicht erinnern, mich gegen deren Anwesenheit in Hamburg ausgesprochen zu haben. Für meine Anonymität im www habe ich gute Gründe und es spricht nichts dagegen auf diese Weise öffentlich Argumente im Netz zu verbreiten, solange die Form gewahrt bleibt.
LöschenVon einem Kommentar hatte ich mir mehr inhaltliche Auseinandersetzung erhofft.
Die Anwohnerin